Trotz seines Selbstverständnisses als gesellschaftlicher Außenseiter, einer Rolle, der er kritische Einsichten in die sozialen Zusammenhänge zu verdanken glaubte, sollte Karl Mannheim als außergewöhnlich repräsentativer Weimarer Intellektueller verstanden werden. Sein deutsches Werk vor dem unfreiwilligen Exil 1933 ist von der zentralen Problematik beherrscht, grundsätzlichen „irrationalistischen“ Einwänden gegen den liberalen Rationalismus Rechnung zu tragen, ohne damit die politischen und wissenschaftlichen Ideale des Liberalismus aufzugeben und die Vorstellung eines genuinen Wissens vom menschlichen Handeln gegen eine Zelebration des Irrationalismus einzutauschen. Mannheims Aktivitäten in Paul Tillichs Christlich-sozialistischer Frankfurter Gesprächsrunde (1932) erlauben neue Einsichten in seinen gewaltsam unterbrochenen Versuch, ein Theorieprogramm zu entwickeln, das dieser zentralen Problematik gerecht werden kann. Daß dies als verlorene Chance zu gelten hat, wird besonders deutlich in der Konfrontation zwischen Mannheim und Kritikern seiner Exilschriften, insbesondere Georg Lukács, Eduard Heimann und Theodor W. Adorno. Die Kluft zwischen den deutschen und englischen Phasen in Mannheims Werk zeigt, daß für Mannheims soziologisches Werk Biographie zum Schicksal wurde.