Kulturelle Unterschiede zwischen den Mitglieds- und Beitrittsländern werden die Integration der neuen Länder in die EU erschweren. Wir gehen in dem Artikel der Frage nach, inwieweit sich die Bürger in den Mitglieds- und Beitrittsländern der Europäischen Union im Hinblick auf ihre Einstellungen zur Familie und zu Geschlechterrollen unterscheiden. In einem ersten Schritt rekonstruieren wir das von der EU-Politik bevorzugte Leitbild einer politisch erwünschten Familie. Die EU favorisiert mit ihrer Politik die doppelte Erwerbstätigkeit von Mann und Frau, die gerechte Aufteilung von Hausarbeit und die zumindest partielle Sozialisation der Kinder in außerfamiliären Einrichtungen. Wir untersuchen dann mit Hilfe einer Sekundäranalyse von Umfragedaten aus west- und mittel/osteuropäischen Ländern, inwieweit dieses Familienmodell der EU von den Bürgern akzeptiert wird. Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass sich die beiden Ländergruppen deutlich voneinander unterscheiden. Die Bürger der Mitgliedsländer der Europäischen Union unterstützen signifikant häufiger das EU-Leitbild als die Bürger der mittel/osteuropäischen Länder. Wir interpretieren diesen Unterschied vor allem als Folge der geringeren ökonomischen Modernisierung der Beitrittsländer und der Dominanz einer katholisch geprägten Kultur. Innerhalb der Gruppe der Mitgliedsländer der EU zeigen sich Unterschiede zwischen den protestantischen und katholischen Ländern. Die protestantischen Länder, die zudem meist einen Wohlfahrtsstaat entwickelt haben, der eine Berufstätigkeit der Frauen fördert, kommen dem Leitbild der EU am nächsten. Zum Abschluss des Artikels beziehen wir unsere Befunde auf die klassische kultursoziologische Frage nach dem Zusammenhang von Ökonomie und Kultur und diskutieren die Folgen unserer Ergebnisse für den Integrationsprozess der EU.