Hermeneutik und Systemtheorie werden in der theoretischen Diskussion typisch als gegenläufige Ansätze gehandelt. Diese Einordnung gründet vor allem auf der Annahme, daß hermeneutisches Verstehen an den Nachvollzug der subjektiven Intentionen von Autoren bzw. Akteuren gebunden sei. Der Beitrag weist nach, daß diese Unterstellung für die philosophische Hermeneutik Gadamers nicht zutrifft. Gadamer konzipiert den Sinn von Texten und Handlungen aus der Perspektive des Interpreten. Der Sinn von Texten und Handlungen erhält dadurch Selbständigkeit gegenüber den Sinnintentionen ihrer Urheber. Der Vorverständnishorizont des Interpreten wird zum zentralen Faktor für die Konstitution von Sinn. Diese Schwerpunktverlagerung im Prozeß der Sinnkonstitution findet ihre Parallele im Verstehens- und Kommunikationsbegriff der Luhmannschen Systemtheorie. Die hier ansetzende Analyse der Begriffe Verstehen und Kommunikation deckt weitreichende Entsprechungen auf zwischen Gadamers Hermeneutik und der Systemtheorie Luhmanns.