Sozialwissenschaftler stellen sich zunehmend die Frage, welchen Beitrag sie in Prozessen politischer Willensbildung leisten können. Einige - die Pessimisten - sind der Ansicht, daß sie diesbezüglich wenig Möglichkeiten haben; andere - die Optimisten - sind zuversichtlich, daß Einflußchancen langfristig gegeben sind.
Eine nähere Betrachtung zeigt, daß die Pessimisten den Tatsachen näher kommen: Die Agenten politischer Willensbildung erweisen sich gegenüber Informationen neuer Art vielfach als resistent und sind - mit Ausnahme der Wirtschaftler - nicht geneigt, Sozialwissenschaftler als ernstzunehmende professionelle Experten anzusehen. Sie suchen ihre Unterstützung bestenfalls zu vordergründigen, von der Sache abgehobenen Darstellungs- und Legitimationszwecken. Andererseits und zugleich hegen auch die Sozialwissenschaftler - besonders die Soziologen - ihre Vorbehalte, nicht zuletzt, weil sie das Staats- und politische Leben oft unter dem Vorzeichen elitistischer Theorien anvisieren. Dazu kommt, daß sie in Fällen, in denen sie im Zuge ihrer Forschungen auf das Geschehen tatsächlich Einfluß nehmen könnten, entscheidungsstimulierende und bündige Schlußfolgerungen, die die Politiker dann von ihnen fordern, nicht oder nur zögernd anbieten wollen.
Erfahrungen der letzten Zeit legen immerhin nahe, daß ungeachtet dieser Schwierigkeiten die Optimisten recht behalten könnten: Hochqualifizierte sozialwissenschaftliche Forschung, die die Gesellschaft bewußt auf ein neues Verständnis der Rolle des Staates hinzuorientieren vermag, dürfte am Ende in der Lage sein, den jetzt herrschenden Stil in der politischen Willensbildung zu verändern.