Kreativer umgang mit der demenzerkrankung und dem leben --arno geigers Der alte Konig in seinem Exil--.
Wang, Luzia Mei-ling
1. Einleitung
Der junge osterreichische Schriftsteller Amo Geiger veroffentlichte
1997 seinen Debutroman, 2005 wurde ihm nach Erscheinen seines
Familienromans uber die osterreichische Geschichte mit dem Titel Es geht
uns gut der erste Deutsche Buchpreis (1) verliehen. Es ging ihm in dem
Roman, wie er sagte, ausser der Darstellung der "typisch
osterreichische(n) Lebensverhaltnisse", um den "Typ des
Zauderers", der "ratlos ist, nach Halt sucht, aber wenig
erfolgreich" ist, also um einen fur ihn reprasentativen Typus, der
das eigentlich "Private, Alltagliche" widerspiegelt. (2) 2007
erschien ein Prosaband mit zwolf Erzahlungen mit dem Titel Anna nicht
vergessen. Es werden Gluck, Scheitern und Grenzsituationen im Leben
thematisiert. Ein Jahr spater wurde Arno Geiger in einem
Werkstattgesprach von Maribel Hart und Alexander Wolter interviewt. (3)
2008 erhielt Geiger den Johann-Peter-Hebel-Preis. (4) 2010 erschien der
Roman Alies uber Sally, ein Roman uber die Liebe und die Ehe. 2011
erhielt er den Friedrich-Holderlin-Preis (5) fur seine Romane und das
autobiographische Buch Der alte Konig in seinem Exil. Fur das Buch wurde
Arno Geiger mit dem Ehrenpreis des Deutschen Hospiz- und
Palliativ-Verbandes (DHPV) ausgezeichnet. (6) Im Buch schreibt er uber
seinen seit einigen Jahren an Demenz leidenden Vater; er beschreibt
seine Personlichkeit, seinen trotz der Demenzerkrankung unverandert
heiteren und amusanten Charakter, und dabei wird die in Vergessenheit
geratene Familiengeschichte Stuck fur Stuck in die Erinnerung
zuruckgerufen. Es ist ein Buch, von dem der Leser lernen kann, wie man
mit dem dementen Kranken umgeht und wie Arno Geiger als Schriftsteller
sein Hauptanliegen beim Schreiben zur Anschauung bringt, indem er stets
das unerwartete Schicksal des Einzelnen, die Wahrnehmungsfreiheit eines
Jeden in einer Konsumgesellschaft sowie die Wurde des Menschen
thematisiert wie er dies in der Eroffnungsrede bei den Bregenzer
Festspielen im Jahre 2006 erortert hat. (7)
Es geht ihm in dem Buch Der alte Konig in seinem Exil nicht
lediglich darum, die langsam sich entwickelnde Demenzkrankheit seines
Vaters darzustellen, sondern eher darum, uber den Vater, seine
Komplexitat, seine Klugheit und Vitalitat zu schreiben. Wahrend des
Annaherungsprozesses an den Vater wird dessen Vergangenheit, die in
Vergessenheit geraten ist, wieder vergegenwartigt, wobei das Erzahlen
der Geschichte des Vaters dem Sohn Arno Geiger selbst zur
Wiederentdeckung seiner eigenen Kindheit und Jugend verhilft, so dass er
den Vater Schritt fur Schnitt emeut kennen lemt. Amo Geiger versucht,
durch die Figuren in seinen Werken erkennen zu lassen, dass der Mensch
ein Mensch "mit seiner Vergangenheit, Eigenheit und Wurde" (8)
bleibt. Was ein Mensch ist, woher er kommt, wohin er geht, was ihn bis
zum Tod ausmacht und was ihm wichtig erscheint, wie er mit dem Alter
konfrontiert wird, das alles wird in dem Buch im Umgang mit dem dementen
Vater von Geiger durch verschiedene Ereignisse, Vorkommnisse und
unerwartete Schicksalsschlage gestaltet und kommentiert. Vor diesem
Hintergrund ist es fur mich lohnend, das Buch Der alte Konig in seinem
Exil naher zu betrachten, nicht nur weil "Demenz" seit einigen
Jahren in der Literatur ein beliebtes Thema ist, (9) sondern auch weil
das Buch schliesslich mit der elementaren Existenz des Menschen zu tun
hat und das Leben eines Jeden betrifft. Die Ergebnisse meiner Recherchen
zeigen, dass es bis 2013 nur wenige wissenschaftliche Veroffentlichungen
uber das Buch Der alte Konig in seinem Exil gibt.10 Es liegen vorwiegend
Rezensionen, Buchbesprechungen, Buchkritiken, Interviews mittels CDs
oder auch DVDs sowie Reden von dem Autor selbst anlasslich der
verschiedenen Preisverleihungen vor.11 Umso wichtiger erscheint es mir,
das Buch unter literaturwissenschaftlichen Fragestellungen zu
behandeln,12 um erstens Themenbereiche wie Alltag, Schicksal und
Menschenwurde darzustellen, und zweitens um den kreativen Umgang mit der
Demenzerkrankung Arno Geigers herauszuarbeiten. Wie gelingt es ihm als
Schriftsteller mit seinem Buch, die Aufmerksamkeit fur den Mitmenschen,
genauer gesagt fur den Demenzpatienten, zu erregen, wie kann er das
leisten in einer anscheinend zivilisierten und rational orientierten
Leistungsgesellschaft, die fur die Entfremdung, die Ratlosigkeit des
Einzelnen und den Verlust der Menschenwurde mitverantwortlich ist.
2. Demenzkrankheit als Erzahlmotor fur die Menschenwurde
Ulrike Vedder weist darauf hin, dass sich ein "vermehrtes
Interesse am Vergessen fur die jungere Zeit" konstatieren lasse,
das heisst, ein Vergessen, das u.a. "im Format der Familien- und
Generationenromane [...] das vielfach an Demenzerkrankungen der
Protagonisten" gebunden sei ("Erzahlen vom Zerfall" 274).
In dem Buch Der alte Konig in seinem Exil wird deutlich gezeigt, wie die
Generationenerzahlung als der Erzahlmuster dient und wie sich Arno
Geigers Gedanken angesichts der Demenzkrankheit des Vaters entwickelt
haben. In den ersten drei Kapiteln wird deutlich, dass ein
konventioneller Umgang mit dem Vater ihm und seinen Familienangehorigen
nicht gelingt. Er schreibt: "Die Anfange der Krankheit waren eine
schreckliche Zeit, ein vollkommener Fehlschlag. Ausserdem waren sie die
Zeit der grossen Verluste" (AK 26). (13) Ab dem vierten Kapitel
wird dargestellt, wie der Erzahler die Verhaltensweise des Vaters
beobachtet und wie er zu der Erkenntnis kommt, dass diese Krankheit
"neue Fahigkeiten" hervorbringt (AK 51) und dass der Vater
sogar seine "Privatlogik" (AK 52) hat, z.B. wie der Vater
versucht, zu rechtfertigen, dass das Zuhause doch kein Zuhause ist:
"Zu Haus sieht ganz ahnlich aus wie hier--nur ein wenig
anders" (AK 57). Die Beobachtung fuhrt ihn zu der grossen
Entdeckung, dass die "Heimatlosigkeit eines Menschen, dem die ganze
Welt fremd geworden war" (AK 55), den Vater bedruckt, daher gibt es
fur ihn die "Unmoglichkeit, sich geborgen zu fuhlen" (AK 56).
Die Konsequenz ist, dass der demente Vater nicht ruhig bleibt und nicht
entgegenkommend ist.
Der Ausdruck "Heimatlosigkeit" enthalt fur Arno Geiger
"etwas zutiefst Menschliches" (AK 56), der Begriff
"Heimat" fur den Vater einen "nicht weniger
existentiellen Sinn" (AK 57). Diese Beobachtung an dem dementen,
traurigen Vater laBt den Erzahler nicht mehr los und veranlaBt ihn, mit
Bedauern, Sorgfalt und mit groBem Verstandnis uber den Begriff
"Alzheimer" nachzudenken. Er erkennt z. B., dass auch
"menschliche Eigenschaften und gesellschaftliche
Befindlichkeiten" (ebd.) sich in dieser Krankheit spiegeln. Er fugt
weiter hinzu, dass Alzheimer ein "Sinnbild fur den Zustand unserer
Gesellschaft" ist:
Der Uberblick ist verlorengegangen, das verfugbare Wissen nicht
mehr uberschaubar, pausenlose Neuerungen erzeugen Orientierungsprobleme
und Zukunftsangste. Von Alzheimer reden heisst, von der Krankheit des
Jahrhunderts reden. (AK 58)
Die Krankheit des Vaters lasst ihn wahrend der Jahre des
Nachdenkens nicht nur zu einer "heraufdammernden Erkenntnis"
(ebd.) kommen, dass er immer mehr Verstandnis fur den Zustand des Vaters
aufbringt, sondern es entwickeln sich sogar eine gewisse
"Anteilnahme" und ein "wachsendes Interesse fur das
Schicksal" (AK 59) des Vaters bei ihm und den Familienangehorigen.
Was heisst aber hier "Nachdenken" fur Arno Geiger? In seiner
Eroffnungsrede fur die Bregenzer Festspiele 2006 hat er das Wort
folgendermassen interpretiert:
Nachdenken heifit kritisch denken, heifit Uberzeugungen
unterminieren, heifit versuchen, in Dingen, die nebulos erscheinen,
etwas mehr Klarheit finden, [...] Dinge aus dem Schatten ziehen, sie
blossstellen im guten Sinn des Wortes, ihnen ihre Masken abstreifen,
Schicht fur Schicht. (Geiger, "Hinsehen macht leichter" 2)
Die Einsicht Geigers hinsichtlich der Demenzerkrankung ist der
Beginn des Prozesses einer neuen "Wahrnehmung", die ihm die
Moglichkeit gibt, vielseitige Perspektiven fur das Leben und fur die
Welt zu gewinnen, indem er den Spuren der Vergangenheit des Vaters
nachgeht. An anderer Stelle vertritt Arno Geiger die Meinung, dass die
Demenzkrankheit haufig nicht die Verbindungen mit den Menschen stort,
wie er feststellt: "Das ist sozusagen das Gegenteil von dem, was
der Alzheimerkrankheit normalerweise nachgesagt wird--dass sie
Verbindungen kappt. Manchmal werden Verbindungen geknupft" (AK
179). Im letzten Kapitel wird die Haltung derjenigen Menschen, die
aufgrund ihrer Hilfslosigkeit und mangelnder Geduld im Umgang mit den
Kranken und Alten Ohnmacht zeigen, von Arno Geiger vorwurfsvoll
kritisiert, indem er sich mit dem kranken und alten Menschen solidarisch
fuhlend, gegen das Propagieren des Themas "Sterbehilfe"
protestiert und dabei folgendermafien argumentiert:
Sosehr die Menschen am Leben hangen: Wenn sie finden, dass ein
Leben nicht mehr ausreichend Lebensqualitat bietet, kann das
Sterben plotzlich nicht schnell genug gehen. Dann wird dasThema
Sterbehilfe aufgebracht von Angehorigen, die besser darantaten,
uber die eigene Unfahigkeit nachzudenken, mit der veranderten
Situation umzugehen. Die Frage ist: Will man den Kranken von der
Krankheit befreien oder sich selbst von der Hilflosigkeit?
Schuldig, weil man noch lebt!--noch immer! (14)
In einer Lesung im Stuttgarter Literaturhaus uber das Buch Der alte
Konig in seinem Exil redet der Schriftsteller von seiner weiteren
Erkenntnis: "Das Ende des Lebens ist auch Leben" (Abelein 15).
Auch in seiner Rede zur Verleihung des Liteaturpreises der
Konrad-Adenauer-Stiftung 2011 pladiert er dafur, das Beste aus dem Leben
zu machen, wie er uber das vergangliche Leben sagt:
Doch wenn wir auch hundertmal wissen, dass auf den Tag die Nacht
folgt und auf den Sommer der Herbst, dass der Menschen Tage wie Gras
sind und wir sterben mussen und dass selbst die Sterne vergluhen: Wir
versuchen trotzdem, hinuberzukommen, hineinzukommen, als Schreibende,
als Reisende: in die Erkenntnis des Unbekannten. (Geiger, Grenzgehen 15)
Er konstatiert, dass im Umgang mit der Krankheit Alzheimer
"die grosste Autoritat das Klischee" (Abelein 15) sei. Die
Kritik uber das Buch war besonders durch die
"Alzheimer-Kontroverse" gespalten, wie Anne Abelein
dokumentiert:
Wahrend einige Forscher glauben, dass der Erkrankte mit dem
Fortschreiten der Demenz seine Personlichkeit verliert, erkennen andere
bis zum Schluss individuelle Zuge. (ebd.)
Dass sich der Charakter eines Menschen nicht notwendigerweise
verandert, wenn er an Alzheimer erkrankt, zeigt Arno Geigers Buch. Meike
Fessmann weist auf den Ausdruck "Charakter schlagt Intellekt"
(27) hin, das sei "eine der trostlichen Botschaften" (ebd.)
dieses Buches. Geiger pladiert fur einen durch Geduld, Gute und
Verstandnis gepragten Umgang mit den dementen Kranken, weil er selber
mit der Zeit zu der Erkenntnis gekommen ist, dass der adaquate Umgang
mit den dementen Menschen ein Zeichen fur die Menschwurde bedeutet. Sein
Annaherungsversuch an seinen Vater wird im Buch gezeigt, wie im
Folgenden eingehend dargestellt wird.
3. Arno Geigers Annaherungsversuch an seinen dementen Vater
"Da mein Vater nicht mehr uber die Brucke in meine Welt
gelangen kann, muss ich hinuber zu ihm" (AK 11). So schreibt der
Schriftsteller Geiger uber die durch die Erkrankung bedingte Fremdheit
zwischen ihm und dem dementen Vater. Die Satze machen gerade den Reiz
des Buches aus. Denn erst nach anfanglicher Irritation bei der Pflege
und nahezu volligem Unverstandnis fur das Leben des 1926 als drittes von
zehn Kindern in eine Kleinbauernfamilie geborenen Mannes August Geiger,
dem die Welt gleichbedeutend ist mit seinem Heimatdorf Wolfurt, nahe
Bregenz in Voralberg, werden die guten Eigenschaften des Vaters Schritt
fur Schritt erneut entdeckt. Die naheren Grundzuge seines Charakters
werden dargestellt, z.B. dass der Vater die Fahigkeit besitzt,
"frohlich zu sein und zu lachen und rasch Freundschaften zu
schliessen" (AK 185), dass er das Talent besitzt, wiederholt
"Sympathien zu gewinnen" (ebd.). Die positive Auswirkung des
Umgangs mit seinem Vater auf die Zuversicht des Sohnes hinsichtlich der
Zukunft wird durch folgende Passage uberzeugend zum Ausdruck gebracht:
Es ist eine seltsame Konstellation. Was ich ihm gebe, kann er
nichtfesthalten. Was er mir gibt, halte ich mit aller Kraft fest. Solche
Stunden ziehen sich in die Lange, und ich habe Zeit, auf vieles
achtzugeben. Kaum etwas entgeht meiner Aufmerksamkeit, ich bin klar und
geistesgegenwartig, alle Dinge stromen mit einer Deutlichkeit auf mich
ein, als verbreite sich plotzlich ein starkesLicht um mich her [...]. Es
gibt da etwas zwischen uns, das mich dazu gebracht hat, mich der Welt
weiter zu offnen (AK 178-179).
Wie der Protagonist Philipp Erlach in dem Familienroman Es geht uns
gut--ein ratloser Junge--, sehnt sich der Sohn nach Zuneigung und
braucht jemanden, der ihn umarmt. (Geiger, "Der Schwamm ist
leer" 21) Fur Arno Geiger ist jeder ein Philipp, dem die
Entwicklungsmoglichkeiten im Leben wichtig sind. Mit einer solchen
Einstellung versucht Geiger im Buch Der alte Konig zu zeigen, dass es,
nachdem ein gegenseitiges Sich-Annahern mit dem Vater stattgefunden hat,
fur ihn Moglichkeiten gibt, anders zu leben, dass eine
"Befreiung" (AK 144) moglich ist, indem er wieder
"Lebensfreude" (ebd.) spurt, dass er in der Lage sein werde,
"den Tag zu genieben--das war eine elementare Veranderung"
(ebd.); und er erkennt, dass er sich in einer fur ihn "ungewohnten
Klarheit der Verhaltnisse, familiar, privat, beruflich" befindet
(ebd.). Die Zuversicht fur den leichteren Umgang mit dem Vater andert
das Verhaltnis zwischen den beiden, so dass sie , jetzt bestimmt anders
miteinander reden, offener, umganglicher, kluger" (AK 186). Es ist
die "spate Freundschaft" (Moritz IX) mit dem kranken Vater,
wie Rainer Moritz in seinem Bericht hervorgehoben hat.
Ein gegenseitiges Sich-Annahern und der vertraute Umgang mit dem
dementen Vater laufen parallel mit Geigers erfolgreicher
schriftstellerischer Tatigkeit, und er schaut jetzt "nicht mehr so
angstlich in die Zukunft wie am Anfang", er sieht das alles
"nicht mehr so duster" (AK 188). Mit der Einsicht in die
veranderten Verhaltensformen des Vaters beginnt der Erzahler, den
dementen Vater als ganzen Menschen zu akzeptieren, da Geiger erkennt,
dass die Menschen "bis ins kleinste Detail hinein so unglaublich
verschieden [sind]. Erst wenn man genauer hinschaut, wird er wirklich
interessant." (Geiger, "Der Schwamm ist leer" 23). Das
ausgesprochen enge Verhaltnis von Geiger zu seinem Vater kommt am
Schluss zur Sprache:
Es trifft mich immer unvorbereitet, wenn mir der Vater mit einer
Sanftheit, die mir fruher nicht an ihm aufgefallen ist, seine Hand an
die Wange legt, manchmal die Handflache, sehr oft die Ruckseite der
Hand. Dann erfasse ich, dass ich nie enger mit ihm zusammensein werde
als in diesem Augenblick. Ich werde mich immer daran erinnern. Immer,
immer! (AK 183)
Arno Geiger als Schriftsteller weist in seiner Eroffoungsrede fur
die Bregenzer Festspiele auf die Funktion der Kunst hin, die unmittelbar
mit dem Individuum und dem Leben zusammenhangt. Er sagt dazu:
Es ist--allen voran--die Kunst, die die unantastbare Wurde des
Menschen verteidigen sollte jenseits der Frage nach der okonomischen
Rentabilitat dieser Wurde. Es ist--allen voran--die Kunst, die mit einer
widerstandigen, beharrlichen Aufmerksamkeit versuchen sollte, den Weg an
einen souveranen Ort vorauszudenken, an dem der Mensch mundig ist und wo
er nicht allein gelassen ist mit seinem Leid. Es ist die Kunst, die den
Menschen zur Sprache bringen, die das Individuum beim Wort nehmen mufi
[...] in der Hoffnung auf mehr Perspektive, auf ein menschenwurdigeres
Leben. (Geiger, "Hinsehen macht leichter" 2)
In seiner Rede zur Verleihung des Literaturpreises der
Konrad-Adenauer-Stiftung 2011 erinnert uns Geiger daran, dass ,jedes
Grenzgehen existenziell" sei, "jeder Grenzganger weiss, dass
er sterben wird. Das Grenzgehen ist eine Erinnerung an den Tod"
(Geiger, Grenzgehen 14). Christine Lieberknecht zeigt in ihrer
Ansprache, wie Geiger damit "die in uns wohnende solidarische Gute
zu unserem Nachsten" (Lieberknecht 16) bestatigt. Fur Michael Braun
ist das Buch nicht bloss ein "literarischer
Krankheitsbericht", sondern ein "poetisches Vaterdenkmal zu
Lebzeiten" (Braun 9).
4. Das Erinnern an das Vergessene als Stutze fur die
Gegenwartsbewaltigung
Wie in dem Familienroman Es geht uns gut geht es in dem Buch Der
alte Konig in seinem Exil um das Erinnern und das Vergessen--ein in
jungster Zeit beliebtes Thema der Gegenwartsliteratur 15--, die
Vergangenheit der Familie, die Tradition, das Elternhaus, das Erlebnis
des Vaters und das der eigenen Kindheit und Jugend. Es geht um die Suche
nach der in Vergessenheit geratenen Familiengeschichte; es geht zugleich
um die Suche nach dem eigenen Ich, den pragenden Faktoren im
Familienverhaltnis, und schliesslich geht es darum zu zeigen, dass die
Familie eine Bindung fur die Angehorigen und deren vernetzte Beziehungen
zueinander bedeutet, auch wenn sie manchmal "einem auf die
Nerven" (AK 60) geht und als Belastung empfunden wird. Das Erinnern
und das Vergessen der Vergangenheit werden aufgrund der Krankheit des
Vaters erneut wahrgenommen--eine Wuhlarbeit, aber auch eine zartliche
Begegnung, wie Arno Geiger konstatiert: "Die Krankheit machte etwas
mit uns allen" (ebd.), aber durch die "Arbeitsteilung",
die "kraftezehrende Aufgabe" (AK 64) hinsichtlich der
Betreuung des Vaters verstarkt sich das
"Zusammengehorigkeitsgefuhl" (ebd.) innerhalb der Familie, und
die Krankheit des Vaters hielt den "Familienzerfall" (ebd.)
auf.
Arno Geiger arbeitet in dem Buch an der Geschichte des Vaters und
des Elternhauses. Er stellt die Konvention von "Frommigkeit,
Biederkeit und Anstand und nichts als Arbeit" (AK 77) in Frage. Wie
der Leser beobachten kann, werden ab dem vierten Kapitel die Reflexion
Arno Geigers sowie sein Verstandnis fur das vergangene Leben des Vaters
deutlich erkennbar. Fur den Vater seien "Zuhause, Sicherheit,
Geborgenheit" (AK 82) ein grosses Thema. Daher weiss man, "wo
man hingehort" (ebd.), und dieses Gefuhl ist schoner als
Verliebtsein. Ereignisse im Leben des Vaters, seine Gewohnheiten im
dorflichen Dasein und die in Vergessenheit geratenen Ereignisse und
Erlebnisse in der Familie werden Stuck fur Stuck ausgegraben, erinnert
und erzahlt, z.B. wie er als Heranwachsender fruher seinem eigenen Vater
Desinteresse vorwarf, ihm gegenuber Distanz aufbaute, rebellierte und
"Anschuldigungen" (AK 87) gegen den Vater vorbrachte, und wie
er jetzt die Grosszugigkeit seines Vaters ihm gegenuber zu schatzen
lernt. Dies alles hilft Arno Geiger, den gegenwartigen Zustand der
Demenz des Vaters und die Verzweiflung beim Umgang mit ihm zu
bewaltigen, indem er immer mehr Geduld und Verstandnis aufbringt, zumal
der Vater wahrend der Kriegszeit ein schweres Dasein gefuhrt,
schliesslich uberlebt und muhsam die eigene Familie gegrundet hat. Die
Recherchen in der Vergangenheit des Vaters bedeuten zugleich fur Arno
Geiger einen Prozess des Erwachsenwerdens, denn er lasst erkennen, dass
er vielseitiger uber die Dinge nachdenkt, mit anderen Perspektiven ihnen
nachgeht und dass er mit immer grosserer Distanz und grosserer Einsicht
an die Unzulanglichkeiten des Lebens herangeht und sie differenzierter
interpretiert. Seine differenziertere Wahrnehmung des Alltagslebens
fliesst auf diese Weise in den Prozess seines Schreibens ein.
5. Schreiben als Prozess der Wahrnehmung
Alltag und Schreiben gehoren fur Arno Geiger zusammen, sie sind
nicht voneinander zu trennen. In vielen Interviews hat er darauf
hingewiesen, dass er sich uberall, wo er sich befindet, Gedanken uber
den Stoff macht. Man kann unmittelbar entdecken, dass Schreiben fur ihn
einen Prozess bedeutet, in dem er sich im Alltagsleben entwickelt, zu
sich zu kommen hofft und schliesslich die Fluchtigkeit des Daseins
begreift, das fur viele nicht erkennbar ist, aber doch unser
Alltagsleben ausmacht. Es geht um die grundlegenden Fragen unseres
Lebens, das von jedem einzelnen Menschen unterschiedlich erfahren wird,
bedingt durch unterschiedliche, oft unerwartete Schicksalswendungen. Fur
Aussenstehende erscheinen dann die von der Norm abweichenden Denkformen
und Verhaltensweisen oft unlogisch, besonders derjenigen Menschen, die
mit der ublichen Realitat nicht zurechtkommen, hier im Buch dargestellt
am Beispiel des Alterns oder der Demenzerkrankung. Arno Geiger sagt beim
Werkstattgesprach: "Ich schreibe immer auch uber die Komplexitat
unserer Gesellschaft, die Komplexitat von Gefuhlen und uber
unterschiedliche Formen von Abhangigkeit" (Geiger, "Der
Schwamm ist leer" 24). Er behauptet, dass er beim Schreiben sich
selbst wieder finde und als Person davon profitiere und Freude an dem
habe, was er schaffe (vgl. Geiger, ebd., 8). Insofern ist es seine
Intention, dass er das, was er im Alltagsleben beobachtet, durch die
Sprache einzufangen versucht, wobei die Sprache eine zentrale Rolle
spielt, denn Geiger ist fest davon uberzeugt, dass ohne Artikulation die
Wahrnehmung des Moments "unerlost" bleibe und eine "Welt
ohne Worter die Welt voller Wunden" sei (Geiger, "Ohne
Worter" 32).
Das Besondere an Arno Geigers Schreiben ist, wie es im Buch Der
alte Konig in seinem Exil auch an verschiedenen Stellen zu finden ist,
dass er Aussagen, Weisheiten oder Spruche von Schriftstellem, Denkem
(16) oder auch von seinem Vater in seinen Texten einzusetzen pflegt, um
seine eigenen Gedanken zu bekraftigen und um von anderen Positionen zu
profitieren--und er weib dann, "so ist es" (Geiger, "Der
Schwamm ist leer" 18); es ist genau dieses Gefuhl, mit einer
anderen Person ubereinzustimmen. Die sprachliche Wahrnehmung von
Wirklichkeit zeigt sich im Buch und zwar in der Erzahlung von der im
Sterben liegenden Tante Berti, die sich von dem Geistlichen durch seinen
inadaquaten Wunsch "gute Besserung" gekrankt fuhlt; der Autor
lasst uns als Leser das Gefuhl haben, dass man manchmal "in einem
Augenblick mehr als in einem ganzen Jahr Schule"(AK 180) lernt. Die
Autoritat der Sprache, wie Geiger im Interview mit Peter Schneeberger
geaubert hat, besitzt in gewisser Weise auch "Herrschaft uber das
eigene Leben" (Schneeberger 133).
Die Wahrnehmung der Eigenheiten und Differenzen der Menschen und
das Interesse daran zeigen sich auch in seiner Bemuhung um den Umgang
mit ihnen, um das gegenseitige Sich-Annahern der Menschen, wie er sich
uber sie Gedanken macht: "Vielleicht wird einem jeder Mensch, wenn
man sich nur lange genug mit ihm auseinandersetzt, auf die eine oder
andere Art sympathisch" (Geiger, "Der Schwamm ist leer"
18). Kein Wunder, dass Meike Febmann den Schriftsteller Arno Geiger fur
seine "Artistik der Einfuhlung" (17) lobt. Die
Alltagswahrnehmung ahnelt privaten Erinnerungsfotos, die Geiger auf dem
Flohmarkt auf dem Wiener Naschmarkt findet und die ihn als Motiv
beeindrucken. Er begrundet sein Interesse daran folgendermaben:
Der Mensch wird ganz geboren, und uberall wird sein Leben
zerstuckelt. Was er tut, ist unvollstandig, was er wahrnimmt,
bruchstuckhaft. (18)
Das Herausarbeiten der Demenzlage des Vaters, die Geduld, die er
zeigt, das Verstandnis, das er aufbringt fur das Altern und
Wenig-leisten-konnen sowie die Einsicht in das Gefuhl der
Heimatlosigkeit des Vaters und in das Schicksal jedes Einzelnen tragen
zu seiner eigenen Wahrnehmungsfreiheit und Menschenkenntnis bei. Er
schreibt: "Es hat lange gedauert, etwas herauszufinden uber die
grundlegenden Dinge, die uns getrieben haben, die Menschen zu werden,
die wir sind" (AK 189). Was bedeutet hier
"Wahrnehmungsfreiheit"? Arno Geiger erlautert folgendermaben:
Es ist die Moglichkeit, das Geschehen um mich herum in einem
Zustand weitgehender Unbefangenheit zu betrachten, in der Geborgenheit
des Verborgenseins. (Geiger, "Hinsehen macht leichter" 2).
Die Wahrnehmung des Lebens bedeutet fur ihn, dass er uber das Alter
und uber den Tod nachdenkt, indem er die unausweichliche Tatsache
vergegenwartigt, dass zum Leben der Tod gehort sowie der Tod auch zum
Leben: "Das Alter geht nicht zuruck, es ist eine Rutschbahn, und
eine der groberen Sorgen, die einem das Alter machen kann, ist die, dass
es gar zu lange dauert" (AK 14). Trotz des unvermeidlichen
Lebensendes wird jedoch die Realitat einer nicht zu besiegenden Hoffnung
entgegengesetzt. So richtet er im letzten Kapitel des Buches seine
Gedanken auf das Schicksal, das unser Leben ausmacht, "das wir
nicht erklaren und auch nicht aufhalten konnen. Zufallig trifit es die
einen, die anderen zufallig nicht. Warum? Das bleibt ein Ratsel"
(AK 180). Arno Geiger nimmt das Schicksal an und betrachtet es als Lauf
der Natur und die Sterblichkeit des Menschen als Chance, das Leben
bewusster wahrzunehmen, das schon sein konnte mit all seinen
Moglichkeiten, indem er konstatiert:
Wenn die Menschen unsterblich waren, wurden sie weniger nachdenken.
Und wenn die Menschen weniger nachdenken wurden, ware das Leben weniger
schon (AK 182).
Deshalb richtet sich seine Aufmerksamkeit beim Schreiben auf den
einzelnen Menschen, der die Zuneigung und Geborgenheit sucht, indem er
versucht, jedem die Moglichkeiten zu bieten, zur Erkenntnis zu kommen
und auf ein menschenwurdigeres Leben zu hoffen, besonders in einer
"sich den Gesetzen des freien Marktes ausliefernden
Gesellschaft" (Geiger, "Hinsehen macht leichter" 2). Dies
kann man hier mit Milan Kunderas Worten, die Geiger im Buch Der alte
Konig zitiert, verdeutlichen: "Das einzige, was uns angesichts
dieser unausweichlichen Niederlage, die man Leben nennt, bleibt, ist der
Versuch, es zu versteheri" (AK 8). Die Aufgabe der Literatur fur
Arno Geiger als Schriftsteller ist es, "fur das Individuum
einzutreten und nicht fur das Grobereignis" (Schneeberger 132),
daher faszinieren ihn, "die vermeintlichen Banalitaten des
Alltags" (ebd.). Als Schriftsteller spricht er von der
Bereitschaft, "sich zu verausgaben und nicht zu rechnen", und
er sagt weiter, dass sich etwas hinter der Arbeit auftut, in dem wir uns
selbst finden und in dem wir als Person weiterkommen konnen und in dem
auch die Leser weiterkommen konnen. (19)
Arno Geiger bringt das Schreiben mit seinem Aussenseitertum als
"Randfigur" in Verbindung, in der er oft die Rolle eines
Beobachtenden hat. Aus diesem Grund hat sein Schreiben viel mit diesem
Beobachten zu tun, so wie er schreibt:
mit einem fortgesetzten, nicht nachlassenden Staunen, wie
merkwurdig unsere Existenz ist. Es hat auch damit zu tun, daB diese
Merkwurdigkeit, wenn man sie in Sprache uberfuhrt, nichts von ihrer
Merkwurdigkeit verliert, aber zusatzlich an Bedeutunggewinnt (Geiger,
"Der schmale Grat" 6).
So hat Christine Lieberknecht in ihrer Ansprache zur
Literaturpreisverleihung der Konrad-Adenauer-Stiftung20 die Leistungen
von Geiger in seinem Buch Der alte Konig gelobt, dass er als
Schriftsteller seinen Lesern nahe gebracht hat, "wie wunderbar es
sein kann, die Unzulanglichkeiten seiner Mitmenschen zu ertragen",
wie "menschliches Zusammenleben" gelingen kann und wie das
Buch die "Kommunikation zwischen den Generationen"
(Lieberknecht 18) anregt. Das Buch zeigt eine "beeindruckende
Originalitat" (Lieberknecht 14). Schreiben ist so gesehen fur
Geiger ein "Erzahlen und Nachdenken im kleinen Grenzverkehr
zwischen Nicht-verstehen, Verstehen-wollen und
Trotzdem-nicht-verstehen" (Geiger, "Der schmale Grat" 6)
in dem zwischenmenschlichen Umgang und in unerwarteten
Alltagserlebnissen.
6. Schluss
Der alte Konig in seinem Exil wird aufgrund der sich entwickelnden
und zum Positiven verandernden Haltungen des Erzahlers gegenuber dem
dementen Vater als ein Prozess des Erwachsenwerdens und der
Selbstfindung betrachtet, in dem Arno Geiger sich durch Nachdenken und
Wahrnehmen mit der Demenzerkrankung, der Unzulanglichkeit der Menschen
und dem Alter beschaftigt. Er kommt schliesslich zu der Erkenntnis, dass
jeder Mensch als grundlegende Bedurfnisse Geborgenheit, Zuneigung und
Wurde im Leben braucht. Zwar behauptet er, er wurde dem Leser nie
vorschreiben, wie er das Dargebotene aufzufassen habe, doch der Appell
an die Menschlichkeit gegenuber den Kranken und den alternden Menschen
in einer immer starker rational orientierten Konsum--, und
Leistungsgesellschaft kann nicht ubersehen werden, in der der Wert des
Menschen sich nach der Position, der Rolle und dem Erfolg richtet, in
der der einzelne Mensch leicht in Ratlosigkeit und Verlorenheit gerat.
Es ist ein Schrei nach einem menschenwurdigen Leben--deshalb ist eine
Diskussion uber das Thema Sterbehilfe fur Geiger unmenschlich und
unerwunscht.
Arno Geiger versucht in seinem Werk, die Begriffe elementarer
Existenz wie Heimat, Heimatlosigkeit, Geborgenheit und Krankheit
(Alzheimer) zu erlautern und durch Spruche und Worte von Schriftstellern
und Denkern praziser zu ergrunden. Er lernt und profitiert von dem
eigenen Schreiben und vermittelt dem Leser, wie der Alltag auch fur den
Kranken seine Bedeutung nicht verliert. Er versucht durch sein Erzahlen
fur uns alle eine Brucke des Verstandnisses aufzubauen. Er bemuht sich
stets, der Aufgabe eines Schriftstellers nachzukommen, namlich das
Schickal des Einzelnen zu erzahlen und die Wurde des Menschen
darzustellen. Dabei muss die Wahrnehmungsfreiheit gewahrt bleiben, die
in der Konsum- und Leistungsgesellschaft durch inadaquate Lebensformen
leicht zerstort wird, so dass man als eindimensionaler Mensch ohne Denk-
und Urteilsvermogen und ohne tieferes Verstandnis des Lebens bleibt.
Auch die Bemuhung um eine moglichst prazise Sprache, wie sie in dem Buch
um dem dementen Vater erkennbar wird, macht deutlich, wo Arno Geiger der
Aufgabe eines guten Schriftstellers gerecht werden will, namlich so, wie
es die amerikanische Erzahlerin und Literaturkritikerin Susan Sontag
(1933-2004) einmal auf die Frage, was einen Schriftsteller ausmache,
gefordert hat: "Er solle die Sprache lieben, um das richtige Wort
ringen. Und aufmerksam sein fur die Welt" (Geiger, "Hinsehen
macht leichter" 2). (21) Der alte Konig in seinem Exil kann als ein
Buch uber Geigers kreativen Umgang mit der Alzheimererkrankung, mit dem
Leben und auch als ein Buch uber die Menschenwurde betrachtet werden,
das uns Zukunftshoffnung fur das Leben anbietet. So wird das Exil des
alten Konigs--des alternden Vaters--, der sein Herrschen verloren hat,
in einer neuen Qualitat begriffen, als eine andere, menschenwurdige
Daseinsform, in der das Odium der Exil-Isolation aufgehoben ist. Mit dem
Verstandnis fur seine Situation wird ihm, statt der vorschnellen
Ausgrenzung, mit Respekt--und vielleicht sogar Ehrforcht--ein Platz in
gesellschaftlichen Gefuge reserviert.
Notes
(1) Der Borsenverein des Deutschen Buchhandels gab die Auszeichnung
am 17. Okt. 2005 bekannt. Der Deutsche Buchpreis soll alljahrlich zur
Frankfurter Buchmesse die beste literarische Neuerscheinung im
deutschsprachigen Raum pramieren; siehe http://www.Spiegel.de/kultur/
literatur/0,1518,380247,00.html (2012-01-15)
(2) Interview in Die Presse, 1. Okt. 2005.
(3) Es hat den Umfang von 45 Seiten und ist das langste Interview
mit Arno Geiger; siehe "Der Schwamm ist leer, jedenfalls dort, wo
man gedruckt hat". Werkstattgesprach mit Arno Geiger im Atelier.
Autoren des Gesprachs Maribel Hart und Alexander Wolter.
Herausgeberinnen: Sabine Doering und Monika Eden. Beitrage zur Poetik
der Gegenwartsliteratur. Werkstattgespruche zur LiteraTour Nord 07.
2008: 5-50.
(4) Dieser Preis des Landes Baden-Wurttemberg wurde am 10. Mai 2008
verliehen. Der mit 10 000 Euro dotierte Preis wird in zweijahrigem
Turnus Schriftstellern verliehen, die dem alemannischen Sprachraum oder
dem Dichter Hebel verbunden sind. Die Jury zeichnete Geiger aus mit den
Worten: "Einfuhlungsvermogen, Sprachkultur und Intelligenz";
siehe Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 51, 29. Febr. 2008, 35.
(5) Arno Geiger erhielt 2011 den mit 20 000 Euro dotierten
Friedrich-Holderlin-Preis der Stadt Bad Homburg (Kulturtheater). Mit
seinen Romanen und dem jungst veroffentlichten Vater-Bericht Der alte
Konig in seinem Exil habe Geiger, so die Jury, unter Beweis gestellt,
dass er in die erste Erzahlungsreihe der Gegenwartsliteratur gehore.
"In der ersten Reihe. Arno Geiger erhalt Holderlin-Preis."
Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 39, 16. Febr. 2011, 7.
(6) Am 10. Okt. 2011 in Limburg an der Lahn. Das Buch wird zu einem
"auberordentlich wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen
Diskussion, der wir uns alle stellen mussen und ein Thema, das vor allem
auch fur die Hospizbewegung und Palliativmedizin eine grobe
Herausforderung bedeutet", so in der Pressemitteilung; siehe
http://www.dhpv.de/ presseerklaerung_detail/items/2011_10_10_DHPV-Ehrenpreisverleihung. html
(7) Arno Geiger war siebzehn Jahre lang jeweils im Sommer
Buhnenarbeiter bei den Bregenzer Festspielen; siehe "Hinsehen macht
leichter. Arno Geiger erzahlt vom Buhnenarbeiter, vom Sehen und
Gesehenwerden, von der Literatur und den Bregenzer Festspielen".
Die Welt, Nr. 169, 22. Juli 2006, 2.
(8) Sigrid Loffler, "Die Suche nach dem verlorenen
Vater". Falter 24, 10/11, 9. Marz 2011. Literatur Beilage
"Bucher Fruhling 2011".
(9) Speziell mit Demenz befassen sich: Martin Suter, Small World.
Zurich: Diogenes Verlag, 1997; Inge Jens, Unvollstundige Erinnerungen.
Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag, 2009; Tilman Jens' Demenz.
Abschied von meinem Vater. Gutersloh: Gutersloher Verlagshaus, 2009;
oder ausserhalb des deutschsprachigen Raums Bucher wie Cyrille
Offermans, Warum ich meine demente Mutter beluge, aus dem
Niederlandischen von Walter Kumpmann. Munchen: Kunstmann, 2007; Yuichi
Okano, Pekorosu Nohahani Ainiku, japanische Originalausgabe Tokyo:
Nishinippon Shimbun, 2012; Chines. Ubersetzung: [TEXT NOT REPRODUCIBLE
IN ASCII] Verfilmungen wie Amour (Regie und Drehbuch v. Michael Haneke
2012), in dem Alzheimer Erkrankung und aktive Sterbehilfe zum Inhalt
werden, und auch Iris (Regie: Richard Eyre, 2001), ein Film uber die
Geschichte des Verfalls der anglo-irischen Schriftstellerin und
Philosophin Iris Murdoch (1919-1999) durch die Alzheimer Krankheit,
basierend auf der literarischen Vorlage: John Barley, Elegie fur Iris.
Ubers. v. Barbara Rojahn-Deyk. Munchen: Beck, 2000 (English 1999).
(10) Einer der wenigen Aufsatze uber Arno Geigers Werk ist der von
Ulrike Vedder: "Erblasten und Totengesprache. Zum Nachleben der
Toten in Texten von Mariene Streeruwitz, Arno Geiger und Sibylle
Lewitscharoff". Literatur im Krebsgang. Totenbeschworung und
Memoria in der deutschsprachigen Literatur nach 1989. Hg. v. Arne de
Winde und Anke Gilleir. Amsterdamer Beitrage zur neueren Germanistik.
Bd. 64. Amsterdam: Rodopi, 2008: 227-241. Im Jahre 2012 erschien: Dirk
Kretzschmar, "Alzheimertexte der deutschen
Gegenwartsliteratur". Alter(n) in Literatur und Kultur der
Gegenwart, hg. von Rudolf Freiburg und Dirk Kretzschmar. Wurzburg:
Konigshausen und Neumann, 2012:117-145; 2013 erschienen ausserdem:
Christina Dehler, Vergessene Erinnerungen die Auseinandersetzung mit
Alzheimer-Demenz in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur am
Beispiel von Martin Suters "Small World" im Vergleich mit Arno
Geigers "Der alte Konig in seinem Exil", Bamberg: University
of Bamberg Press, 2013; Marie Gunreben, "Das weise Alter: zur
Neuinszenierung eines traditionsreichen Modells in deutschsprachigen
Gegenwartstexten". Gegenbilder--literarisch, filmisch,
fotografisch, hg. v. Corina Erk und Christoph Naumann. Bamberg: Univ. of
Bamberg Press, 2013: 81-96; Die Diplom-Arbeit von der Universitat Wien
von Stefanie Kahr, Demenzerkrankungen in der zeitgenossischen osterrei
chischen Literatur, 2013. Leider konnte ich diese Publikationen fur die
vorliegende Arbeit nicht mehr berucksichtigen.
(11) Es ist lohnend, in der Bibliothek des Deutschen
Literaturarchivs Marbach die CDs zu horen und die DVDs anzuschauen, in
denen Arno Geiger sich artikuliert.
(12) 2011 erschien die chinesische Ubersetzung des Buches in
Taiwan: [TEXT NOT REPRODUCIBLE IN ASCII].
(13) Arno Geiger, Der alte Konig in seinem Exil. Munchen: Hanser
Verlag, 2011, 26. Die in Klammern gesetzten Seitenzahlen beziehen sich
auf diese Ausgabe, die mit AK gekennzeichnet ist.
(14) AK, 183. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung steht der
Artikel "Eine unnotige Sterbehilfe-Debatte " von Arno Geiger;
siehe FAZ, Sonntagszeitung, 31. Mai 2009. Nr. 22 (Politik 3).
(15) Autoren und Werke wie Eva Menasse: Vienna (2005); Arno Geiger:
Es geht uns gut (2005); Erinnern und Vergessen spielen auch eine Rolle
in Monika Marons oder in Uwe Timms Werken. Es sind Familien- und
Generationenromane in der neueren Literatur uber Familienkonstruktionen
und Familienidentitat, um nur einige Beispiele zu nennen.
(16) Wie beispielsweise Milan Kundera, Andrej Belyj, Franz Kafka,
Thomas Bernhard, Julien Green, Jacques Derrrida, Marcel Proust, James
Joyce, Felix Hartlaub, Susan Sontag u.a.
(17) Vgl. Verleihung des Literaturpreises der
Konrad-Adenauer-Stiftung e.V an Arno Geiger, 19ff.
(18) Julia Schroder (StZ-Literaturredakteurin). "Schone
Schnappschusse". "Betrifft"--Reihe: Arno Geiger kommt
heute ins Literaturhaus. Arno Geiger spricht uber Fotos. Uber den
Menschen und Fotos unterhalt Arno Geiger sich im Anschluss an seinen
Vortrag mit der StZ-Literaturredakteurin Julia Schroder und dem
Publikum; Stuttgarter Zeitung, Nr. 218, 17. Sept. 2008, 30.
(19) "Meinung--Arno Geiger uber gute Grunde zu
schreiben." Borsenblatt, 2006, 26, 11.
(20) Der Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung ehrt
Schriftsteller, die sich der wichtigsten Themen unserer Zeit annehmen,
"die uns heute auf den Nageln brennen", so Christine
Lieberknecht in ihrer Ansprache: "Verwurzelung in der Geschichte
und Gegenwart, verlorene und neu gewonnene Heimat, Erinnerungsarbeit und
Liebesbeziehung, Menschenwurde und die Gestaltung einer freiheitlichen
zivilen Lebensweise". C. L., "Ansprache", 12.
(21) Geiger, 2006, 2. Wo das Bemuhen um prazise Sprache am ehesten
erkennbar wird, das sind die Reflexionen des Erzahlers oder das
Aufbrechen von Klischees durch eine sprachliche Entlarvung. Ein Beispiel
ware etwa: "Die Konvention verlangt, dass man ein schlechtes
Gewissen bekommt, wenn man beschlieBt, ein enges Familienmitglied ins
Heim zu geben" (AK 133). Geiger sagt nicht, dass man ein schlechtes
Gewissen hat, sondern das erwartet wird, dass man ein schlechtes
Gewissen zu haben hat und das man das selbst sogar so verinnerlicht.
Sprache dringt durch die konventionelle Oberflache, sie
entlarvt--Klischees, Vorurteile, Allgemeinplatze, festgefahrene
Konventionen etc.
Benutzte Literatur
Abelein, Anne. "Das Ende des Lebens ist auch Leben". Arno
Geiger liest im Stuttgarter Literaturhaus aus seinem Bestseller
"Der alte Konig in seinem Exil". Stuttgarter Nachrichten. Nr.
127, 3. Juni, 2011. 15.
Borsenverein des Deutschen Buchhandels (Hg.). "Meinung--Arno
Geiger uber gute Grunde zu schreiben". Borsenblatt: Wochenmagazin
fur den deutschen Buchhandel; Frankfurt am Main und Leipzig. Frankfurt
am Main: MVB Marketing- und Verl.-Service des Buchhandels, Bd. 173, 26,
2006. 11.
--. "MENSCHEN--Fragebogen--Arno Geiger--13 Antworten des
Buchpreistragers". Borsenblatt: Wochenmagazin fur den deutschen
Buchhandel; Frankfurt am Main und Leipzig. Frankfurt, M.: MVB Marketing-
und Verl.-Service des Buchhandels, Bd. 172, 52, 2005. 25.
Braun, Michael. "Alzheimer und die Umwege der Fiktion".
Die Furche, Nr. 9, 3. Marz, 2011. 9.
Fessmann, Meike. "Artistik der Einfuhlung. Laudatio auf Arno
Geiger". Verleihung des Literaturpreises der
Konrad-Adenauer-Stiftung e.V an Arno Geiger. Weimar, 18. September 2011.
Dokumentation. Hg. v. Gunther Ruther. 2011. 19-28.
Geiger, Arno. Der alte Konig in seinem Exil. Munchen: Hanser,
2011a.
--. Grenzgehen. Drei Reden. Edition Akzente. Munchen: Hanser,
2011b.
--. "Ohne Worter ist die Welt voller Wunden". Gegenstand
guter Literatur ist das Ideale unter dem Gesichtspunkt, wie traurig es
dahinter ausschaut. Dankrede zum Holderlin-Preis. Frankfurter Allgemeine
Zeitung, Nr. 131, 7. Juni, 2011c.
--. "In der ersten Reihe. Amo Geiger erhalt
Holderlin-Preis". Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 39, 16.
Februar, 2011d. 7.
--. "Eine unnotige Sterbehilfe--Debatte". Frankfurter
Allgemeine Zeitung, Sonntagszeitung, 31. Mai, 2009, Nr. 22. (Politik 3)
32.
--(Hg.). "Der Schwamm ist leer, jedenfalls dort, wo man
gedruckt hat", Werkstattgesprach mit Arno Geiger.
Werkstattgespruche zur LiteraTour Nord 07. Oldenburg: Fruhwerk, 2008a:
5-50.
--. "Anna bedenken". Arno Geiger erhalt Hebel-Preis.
Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 51, 29. Februar, 2008b. 35.
--. "Hinsehen macht leichter". Arno Geiger erzahlt vom
Buhnenarbeiter, vom Sehen und Gesehenwerden, von der Literatur und den
Bregenzer Festspielen. Die Welt, Nr. 169, 22. Juli. 2006: 1-2.
--. "Der schmale Grat". Die Welt, 29.10. 2005. 6.
(Erschienen auch in Es schneit in meinem Kopf Erzuhlungen uber Alzheimer
und Demenz. Hg. v. Klara Obermuller. Munchen, Wien: Nagel & Kimche,
2006: 15-22)
Hubinger, Marita. (Interviewer). "Arno Geiger, Gesprache: Der
alte Konig in seinem Exil". Aspekte extra--2011.03.18. Das blaue
Sofa. (CD).
Lieberknecht, Christine. "Ansprache". Verleihung des
Literaturpreises der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. an Arno Geiger.
Dokumentation. Hg. v. Gunther Ruther. Weimar, 18. September. 2011:11-18
Loffler, Sigrid. "Die Suche nach dem verlorenen Vater. Mehr
oder weniger autobiografisch schreiben die Sohne ihren Vatern hinterher,
tragen diesen ihren Hass und ihre Liebe bis ins Grab nach". Falter
10/11. 9. Marz. Literatur Beilage "Bucher Fruhling 2011".
Moritz, Rainer. "Der arme Krauterer". Die Presse,
Samstag, 5. Februar, 2011. IX: Literatur.
Ruther, Gunther (Hg.). Verleihung des Literaturpreises der
Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. an Arno Geiger. Weimar, 18. September
2011. Dokumentation. Sankt Augustin/Berlin: KonradAdenauer-Stiftung.
Schneeberger, Peter (Interviewer). ",Das sprengt die
Vorstellung' Interview. Der Schriftsteller Arno Geiger uber das
Verbrechen von Amstetten, kaputte Familenstrukturen und seinen
osterreichischen Roman ,Es geht uns gut', der nun in Wien auf die
Buhne kommt". profil 19, 5. Mai, 2008. 132-134.
Schroder, Julia. "Schone Schnappschusse".
"Betrifft"--Reihe: Arno Geiger kommt heute ins Literaturhaus.
Arno Geiger spricht uber Fotos. Uber den Menschen und Fotos unterhalt
Amo Geiger sich im Anschluss an seinen Vortrag mit der
StZ-Literaturredakteurin und dem Publikum; Stuttgarter Zeitung, Nr. 218,
17. Sept., 2008. 30.
Strigl, Daniela. "Arno Geiger". Literatur und Kritik.
Heft 451. 2011: 77-77. (Salzburg: Muller)
Straub, Wolfgang. "BUCHKRITIK--Kontroverse uber Arno
Geiger". Literatur und Kritik. Jg. 41. Heft 403-404. 2006: 73-100.
(Salzburg: Muller)
Vedder, Ulrike. "Erblasten und Totengesprache. Zum Nachleben
der Toten in Texten von Marlene Streeruwitz, Arno Geiger und Sibylle
Lewitscharoff". Amsterdamer Beitruge zur neueren Germanistik, Bd.
64. Amsterdam: Rodopi, 2008: 227-242.
--. "Erzahlen vom Zerfall. Demenz und Alzheimer in der
Gegenwartsliteratur". Zeitschriftfur Germanistik. 22, 2. 2012:
274-289.
[Received 9 May 2014; accepted 21 Jun. 2014]
Luzia Mei-ling Wang is professor in the Department of German at Fu
Jen University. She holds a Ph.D. degree from
Friedrich-Wilhelms-University of Bonn, Germany. Her research focuses on
China as Symbol in German Literature, German Literature in the Age of
Emperor William II., Youth in German Literature, Alcoholism and Heredity
in the works of the naturalistic Period, Dying and Death in German
Literature 19th-20th Century, Max Frisch, W. G. Sebald, Arno Geiger, and
Contemporary German Literature.