Harry Falk, Walter Slaje (eds.), Oskar von Hinuber: Kleine Schriften.
von Simson, Georg
Harry Falk, Walter Slaje (eds.), Oskar von Hinuber: Kleine
Schriften. Teil I, II. Glasenapp-Stiftung, Band 47. Harassowitz Verlag,
Wiesbaden 2009. LIV + 1165 S. ISBN 978-0-7619-3634-3.
Die Glasenapp-Stiftung, die sich durch ihre Nachdrucke der
"Kleinen Schriften" oft langst verstorbener Forscher schon so
grosse Verdienste erworben hat, nimmt sich mit den beiden hier
vorzustellenden gewichtigen Banden des glucklicherweise immer noch im
Wachsen begriffenen Werks Oskar von Hinubers (v. H., geb. 1939) an, der
sich durch zahlreiche bedeutende Veroffentlichungen seit Anfang der
1970er Jahre vor allem im Bereich der Erforschung des Pali-Buddhismus
einen Namen gemacht hat. Ausser den Kleinen Schriften enthalt Teil I ein
knappes Vorwort der Herausgeber, ein Verzeichnis der in den beiden
Banden nachgedruckten Schriften und ein vollstandiges
Schriften-verzeichnis, das mit seinen mehr als 600 Eintragen ein
eindrucksvolles Zeugnis von der Schaffenskraft v. H.s ablegt. Wie die
Herausgeber mit Recht betonen, verdanken diese Arbeiten "ihren
bleibenden Wert ... der wegweisend angewandten Kombination von Methoden
der Indologie mit solchen von Klassischer Philologie und diachroner
Sprachwissenschaft" (S. VIII). Hinzufugen mochte man die ganz
ungewohnliche Belesenheit des Autors, die sich nicht zuletzt immer
wieder in den hier abgedruckten Besprechungen zeigt.
An kleinen Fehlern ist, von ganz Trivialem abgesehen, im
Einleitungsteil zu korrigieren: S. XIII, Nr. 26, Z. 2 "Selected
Studies": lies "Selected Papers"; S. XL, Nr. 249:
"Ji Xinalin": lies "Ji Xianlin".
Von den hier unverandert nachgedruckten 123, ursprunglich in den
Jahren 1969 bis 2006 erschienenen, Schriften sind 51 (mit knapp der
Halfte des Gesamtumfangs) auf Englisch, zwei auf Franzosisch und die
ubrigen auf Deutsch abgefasst. Sie sind in folgende Themenbereiche
gegliedert:
I. Buddhistische Literatur;
II. Uberlieferungsgeschichte;
III. Sprachwissenschaft;
IV. Gilgit;
V. Kulturgeschichte;
VI. Varia;
VII. Besprechungen.
Nicht noch einmal in diesen Band aufgenommen sind Arbeiten, die
schon in dem von der Pali Text Society herausgegebenen Sammelband
(Selected Papers on Pali Studies, Oxford 1994, 2. Aufl. 2005) enthalten
sind. In der I. Sektion finden sich u. a. Wiedergaben von kleineren,
bisher kaum beachteten Pali-Texten, Studien zu den oft schwer deutbaren
Dharanis aus Zentralasien und China (S. 93-119; hier ist S. 115 f. bei
der Kopie der linke Rand abgeschnitten) und zur Rechtsterminologie des
Theravada-Vinaya. Beachtenswerte Beitrage zur Erhellung der
Entstehungsgeschichte des Pali-Kanons sind die beiden 1994 erschienenen
Aufsatze "Die neun Angas" (S. 159-173) und "Vinaya und
Abhidhamma" (S. 174-1844), die spater ihre Fortsetzung in den
grundlegenden Monographien Entstehung und Aufbau der Jataka-Sammlung und
Das Patimokkhasutta (Mainzer Akademie-Abhandlungen von 1998 und 1999)
gefunden haben.--Die II. Sektion enthalt Arbeiten zur handschriftlichen
Uberlieferung, wobei v. H. sich besonders intensiv um Handschriften aus
Thailand und ihre Bedeutung fur die Textkritik des Kanons der
Theravadins gekummert hat.--In der III. Sektion finden sich neben
Untersuchungen von Einzelwortern wichtige Studien zur altesten
buddhistischen Sprachgeschichte: "Pali as an Artificial
Language" (S. 451-458), "Pali and Paisaci as Variants of
Buddhist Middle Indic" (S. 505-521) und "Origin and Varieties
of Buddhist Sanskrit" (S. 554-580), Arbeiten, die in engem
Zusammenhang mit dem inzwischen zu einem unentbehrlichen Arbeitsmittel
der mittelindoarischen Sprachforschung gewordenen Leitfaden Das eltere
Mittelindisch im Uberblick (Wien 1986, 2. Aufl. 2001) stehen. Zwei
Arbeiten zu iranischen Namen am oberen Indus und zu indischen Namen in
Zentralasien beschliessen diesen Abschnitt und leiten zugleich uber zur
IV. Sektion, die den buddhistischen Handschriftenfunden von Gilgit
gewidmet ist. Hier konnte v. H. zeigen, dass es mit Hilfe der Kolophone
einiger Handschriften, in denen Stifter und Konigsnamen vorkommen,
moglich ist, ein Stuck Dynastiegeschichte dieses Gebiets im 7. und 8.
Jahrhundert zu rekonstruieren.--In der V. Sektion, Kulturgeschichte,
findet sich ein schon wegen seiner bibliographischen Angaben wichtiger
Ubersichtsaufsatz uber "Probleme der Technikgeschichte im alten
Indien" (S. 758-773), der schon 1978 erschienen ist, inzwischen
also einer Erganzung bedurfte. Mit wie vielen Problemen dieses Gebiet
behaftet ist, zeigt v. H. am Beispiel des eine Art Brunnen oder (mit
Stufen versehenen?) Wasserreservoir bezeichnenden, in
Landschenkungsurkunden aus Gujarat vorkommenden Ausdrucks vapi in dem
2004 erschienenen Beitrag "Les documents epigraphiques indiens:
Difficulte de leur interpretation--Examples concernant
l'irrigation" (S. 846-868, zu vapi S. 859 ff.), wobei er
Angaben von Lexikographen und anderen literarischen Quellen mit den
epigraphischen und archaeologischen Zeugnissen vergleicht. Dasselbe
Thema behandelt v. H. in demselben Jahr auch in seiner ausfuhrlichen
Besprechung von M. Njammasch, Bauern, Budddhisten und Brahmanen, Das
fruhe Mittelalter in Gujarat (Wiesbaden 2001) (S. 1058-1070). Seine
Vertrautheit mit den Kommentaren zum Pali-Kanon und ihrer oft
schwierigen Terminologie kommt v. H. in dem ausgearbeiteten Vortrag
"Everyday Life in an ancient Indian Buddhist Monastery" (S.
869-897) zugute, das die Monche auch mit ihren menschlichen Schwachen
zeigt und auf diese Weise die gelegentlich mit ihrer ideologischen Basis
in einem gewissen Kontrast stehenden Lebenspraxis dieser Religion
veranschaulicht.--In der VI. Sektion findet sich neben dem Nachruf auf
Wilhelm Rau (S. 909-912) eine Betrachtung uber "Die Situation der
kleinen Facher in den Geisteswissenschaften am Beispiel der
Orientalistik" (Mainz 2000) (S. 898-908). Sie enthalt ein
uberzeugendes Pladoyer fur die vom Aussterben bedrohten
orientalistischen Facher (die Indologie ist nach v. H.s Emeritierung in
Freiburg abgeschafft worden), deren die personelle Ausstattung
betreffender 'Kleinheit' sich, wie hier dargelegt wird, auch
positive Seiten abgewinnen lassen.--Zur VII. Sektion schlieisslich
gehoren die uber die engeren Forschungsinteressen v. H.s hinaus weite
Bereiche der Indologie berucksichtigenden "Besprechungen', von
denen immerhin 54 (von--nach Ausweis des Schriftenverzeichnisses--415!)
hier nachgedruckt sind. Sie stammen grosstenteils aus OLZ (durch die
technisch bedingte Verkleinerung schrumpfen hier manche Buchstaben auf
die Grenze des ohne Lupe Lesbaren), WZKS, ZDMG, JAOS und aus dem von v.
H. von 1983 bis 1998 als Mitherausgeber und von 1999 bis 2007 als
Herausgeber betreuten Indo-Iranian Journal. Einer der Schwerpunkte ist
hier naturgemass die Lexikographie, zu der v. H. durch seine eigene
Forschung so viel beigetragen hat. So wird, neben dem
Sanskrit-Worterbuch der buddhistischen Texte aus den Turfan-Funden (S.
996-1001), vor aliem das in Poona erscheinende Encvclopaedic Dictionary
of Sanskrit on Historical Principles mit kritischen Besprechungen
begleitet (S. 1002-1022). Bedingt durch seine langjahrige Beschaftigung
mit dem Samghatasutra verfolgt v. H. auch Publikationen im Bereich des
Khotan-Sakischen mit besonderer Aufmerksamkeit (S. 1078-1088).
Der Inhalt der beiden Bande wird durch nach Sprachen gegliederte
Wortverzeichnisse sowie durch Stellen-, Sach-, Autoren-, Text-,
Personen- und Titelverzeichnisse auf vorbildliche Weise erschlossen.
Georg von Simson
Gottingen