Im Gegensatz zu Rache und Vergeltung ist Vergebung als zentrale Bewältigungsstrategie interpersonaler Konflikte bislang nicht zum Gegenstand der soziologischen Forschung geworden. Auf der Grundlage einer qualitativen Fallstudie widmet sich der vorliegende Beitrag daher der Frage, welche sozialen Bedeutungsdimensionen für die Vergebung nicht justiziabler Vergehen konstitutiv sind. Unsere Ergebnisse zeigen, dass mögliche Reaktionen auf solche Vergehen durch ambivalente und zum Teil widersprüchliche Verhaltenserwartungen gekennzeichnet sind, die bei Betroffenen deutliche emotionale Irritationen hervorrufen. Aus wissenssoziologischer Perspektive illustrieren wir dann am Beispiel von Interaktionsverläufen, in denen moralische Bewertungen eine zentrale Rolle spielen, dass gelingende Vergebungsakte von der Regulierung und Transformation bestimmter Emotionen abhängen. Diese Emotionen können als Referenzpunkte des Fremdverstehens im Kontext solcher Vergehen verstanden werden und legen ein Verständnis von Vergebung als genuin sozial interaktives Geschehen nahe.