Das Kernforschungszentrum Jülich war wahrlich kein Selbstläufer. In den fortschreitenden 1950er Jahren hatte man beschlossen, die vom Zweiten Weltkrieg schwer zerstörte und sich eher mühsam wiederfindende Stadt im Westen Nordrhein-Westfalens zum Standort eines Kernforschungszentrums werden zu lassen. Wir stehen vor dieser dunklen Wand, hinter der sich eines der kostbarsten Geschenke verbirgt, das die Natur für den Menschen bereit hält: die Atomenergie. So wird der frühe Rundfunkexperte, Ingenieurwissenschaftler, Sozialdemokrat und später zuständige Staatssekretär Leo Brandt aus einem Appell an die Lokalpolitiker zitiert. 1 Es galt an das Atomzeitalter anzuklopfen. Und in Deutschland antwortete man auf das Versprechen der Zukunft fast traditionell eher verhalten. Auch Leo Brandt, der zuvor als Verkehrsverwalter maßgeblich auf die Elektrifizierung der Bundesbahn hingearbeitet hatte, wusste das: In Deutschland ist die Frage, ob diese Energieform überhaupt von Nutzen ist, leider sehr umstritten. In Düren zum Beispiel. Dort war er gescheitert, kurioserweise, aus heutiger Sicht, am Widerstand der Braunkohlelobby..Die fehlende Innovationsbereitschaft seiner Landsleute und der daraus resultierende Rückstand im Bereich des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts hatten Leo Brandt schon bei seiner Tätigkeit für die Wehrmacht beschäftigt. Trotz eifrigem Bemühens, den Entwicklungsvorsprung der britischen Radartechnik vor der deutschen irgendwie aufzuholen, scheiterten er und seine Arbeitsgruppe und er betreute ab 1946 den Fuhrpark der Stadtwerke in Düsseldorf. In recht kurzer Zeit zum Staatssekretär aufgestiegen wurde, fand er sich also 1957 an einer energiepolitischen Forschungsfront. Es gelang ihm tatsächlich die Kernforschungsanlage Jülich des Landes Nordrhein-Westfalen (KFA) durchzusetzen.