Es war eine einzige Frage, die entschied, ob mein Kommilitone Tuisko oder ich die Stelle als studentischer Mitarbeiter am Lehrstuhl von Professor Umstätter bekommen sollte. Wir waren drei oder vier Semester am Institut, was für uns Magister-Studierende wenig bedeutete, denn wir studierten ohnehin alles Mögliche, ziemlich ahnungslos, querbeet und wenig davon an der Universität. In der Rückschau bereut man diese Ziellosigkeit ein wenig, eigentlich sogar sehr, denn um die Jahrtausendwende konnte die Humboldt-Universität mit einem unglaublichen intellektuellen Potential aufwarten, einer ganz eigentümlichen Ost-West-Mischung mit einem hohen Anteil an Akteuren, deren Nebeneinander oft genauso zusammengewürfelt wirkte, wie es eben auch war. Daraus resultierten Dissonanzen und zugleich viele Freiräume. Wie die Stadt so die Universität, bemüht um Konsolidierung, darin jedoch, als wäre sie ständig überfordert. Das Institut für Bibliothekswissenschaft war dahingehend keine Ausnahme und unsere eigenen Biografien alters- und naturgemäß zumindest in dieser Linie sowieso im Takt. Eigentlich wollten fast alle, die man am Institut traf, etwas Anderes machen. Auch ich wollte nie Bibliothekswissenschaft studieren, aber in aller Ratlosigkeit nach einem abgebrochenen Semester Amerikanistik im wintergrauen Potsdam-Golm und dem Zivildienst schien es eine gemütliche Option im Immatrikulationsbüro Unter den Linden. Zur Orientierung, bis sich herausstellt, was eigentlich werden soll. Das erste Semester wurde, wie es sich traf, sowieso weitgehend verstreikt.