摘要:Der Krisenzustand der Weimarer Republik bildet einen nahezu unhinterfragbaren Topos der Weimarforschung, der in elaboriertester Form in der einschlägigen Gesamtdarstellung Detlev Peukerts über die „Krisenjahre der Klassischen Moderne“ zum Ausdruck kommt. [1] Diesem Befund nehmen die Autor/innen des Sammelbandes „Die ‚Krise’ der Weimarer Republik“ zum Anlass, das entsprechende Deutungsmuster kritisch zu überprüfen. Überzeugend breiten die Herausgeber den theoretischen Rahmen hierfür in der Einleitung aus. Ausgehend von den unzähligen zeitgenössischen Verweisen auf Krisen verschiedenster Art und des entsprechenden Forschungsparadigmas dekonstruieren und historisieren sie den Begriff der Krise. Aus konstruktivistischer Sicht weisen sie darauf hin, dass „Krisen […] nicht in der Welt“ seien und „von Menschen entdeckt“ würden. Sie „konstruieren sich erst in narrativen Strukturen, mit denen die Zeitgenossen oder expost Historikerinnen und Historiker komplexe Prozesse zu erfassen suchen“ (S. 12). Anschließend stellen sie den grundsätzlich vorhandenen produktiven Gehalt einer „Krise“ heraus, indem sie diese in Anschluss an Reinhart Koselleck [2] als eine offene Entscheidungssituation definieren. Somit vereine der Begriff „diagnostische und prognostische Elemente“, wohingegen „im alltagssprachlichen wie auch im historiographischen Gebrauch diese elementare Offenheit […] häufig unterschlagen“ werde (S. 13f.). Dieses sei insbesondere in der Historiografie der Weimarer Republik wegen der nachfolgenden nationalsozialistischen Herrschaft der Fall. Dabei fungiere, so die Kritik, die Krise häufig als „quasi magischer Begriff, der überall dort zum Einsatz gebracht wird, wenn man mit dem Erklären sonst nicht mehr weiterkommt“ (S. 21). Auf diese Weise würden jedoch die Hauptaspekte des Krisenbegriffs – der konstruktive Charakter und die historische Offenheit – vernachlässigt. Dieses versucht der Sammelband einzufangen. So analysieren die Beiträge im ersten Teil die narrative Konstruiertheit und befragen zeitgenössische Diskurse auf die Verwendungen des Krisenbegriffs, während die Beiträge des zweiten Teils das Maß der historischen Offenheit von traditionellen Krisenphänomenen bestimmen. Der Gewinn dieses Ansatzes liegt zum einen darin, das dominierende pessimistische und einseitige Krisenverständnis der Weimarforschung zu revidieren. Zum anderen werden die in zahlreichen gesellschaftlichen Teilbereichen festzustellenden progressiven Entwicklungen als der Krise immanente Möglichkeitsräume gedeutet, sodass neuere kulturgeschichtliche Ergebnisse der Dynamik mit politik- und wirtschaftsgeschichtlichen Befunden des Niedergangs in einen inneren Zusammenhang gestellt werden. Um dieses zu verdeutlichen, skizzieren die Herausgeber einen Überblick über die Forschungen „jenseits des ‚Krisen’-Paradigmas“ (S. 23), in welchem sie die neueren Arbeiten [3] von bisherigen Ansätzen abgrenzen und in diesem Kontext die Beiträge des Sammelbandes verorten.
关键词:Heiko Bollmeyer, Abteilung für Geschichtswissenschaft, Universität Bielefeld