标题:Der Untergang der Gesellschaft Jesu als europäisches Medienereignis (1758-1773). Publizistische Debatten im Spannungsfeld von Aufklärung und Gegenaufklärung. Mainz: Philipp von Zabern Verlag 2006.
摘要:Die Gießener historische Dissertation thematisiert die Auflösung des wohl mächtigsten Ordens der Katholischen Kirche des Ancien Regimes aus der Perspektive der modernen Kommunikationsgesellschaft. Was methodisch wie ein Anachronismus wirkt, spiegelt doch tatsächlich einen brauchbaren Ansatz für das Weltdatum von 1773 wider, dass die Autorin als europäisches Medienereignis deutet. Da sie ganz richtig bei 1758 ansetzt, ist allerdings die „Ereignishaftigkeit“ auf etwa 15 Jahre ausgedehnt. Die europäische Öffentlichkeit wurde bewusst, wenn auch wohl nicht selbstreflektiert, in die ausgreifende Debatte um die Verbote der Gesellschaft Jesu einbezogen: zunächst in Portugal, dann in anderen europäischen Ländern und zuletzt weltweit 1773 durch die Auflösung durch Clemens XIV. Tatsächlich wurde diese Debatte europäisch geführt, und zwar nicht nur räumlich durch die Verbreitung von Pamphleten, Karikaturen und Apologien im Abendland, wobei die Autorin den Schwerpunkt auf die romanischen Länder und Deutschland legt, Ostmitteleuropa, allerdings das eine bedeutende Wirkungsfläche für die Jesuiten darstellte (Wien, Braunsberg, Olmütz etc.), so gut wie nicht berücksichtigt. Gerechtfertigt mag diese Beschränkung allenfalls durch den Umstand sein, dass an den westeuropäischen Bourbonen-Höfen die Epizentren des Jesuitenhasses lagen. Auch inhaltlich ist die verschiedensprachige zeitgenössische Streitschriftliteratur aufeinander bezogen, kopiert und beantwortet worden. Die Autorin beansprucht, die „Gesamtdebatte sowohl in ihrem äußeren Verlauf als auch in ihren inhaltlichen Dimensionen zu rekonstruieren“ (S. 6) und setzt dabei den historischen Kontext weitgehend voraus, obgleich ihr eine genaue historische Kontextualisierung wichtig ist (S. 8) und sie zu Neubewertungen kommt, etwa hinsichtlich Pastors Papstgeschichte, deren pauschale Verurteilung bei ihr zumindest relativiert wird. Aber auch bei dem für die Thematik so entscheidenden Begriff der Aufklärung plädiert sie korrekt für eine moderne Differenzierung. Dabei hält sie ganz richtig fest, dass die Aufhebung der Gesellschaft Jesu symptomatisch für die Grundtendenzen der Epoche war. Daher eignet sich dieses Paradigma sehr gut für die Darstellung des Phänomens und der Mechanik einer zunehmend sich verdichtenden politischen Öffentlichkeit mit europäischen Dimensionen. Dadurch, dass sie die Aufhebung von 1773 als Kulminationspunkt einer Entwicklung erkennt und bewertet, wird sie der Prozesshaftigkeit des historischen Datums ebenso gerecht wie dem Verständnis von Aufklärung als Kommunikationsprozess. Damit besitzt die Konzeption der Arbeit eigentlich zwei Brennpunkte: die Auflösung als Medienereignis sowie Verlauf und Inhalte der publizistischen Debatte über das Verbot der Jesuiten. Schon durch diesen Ansatz nimmt die Autorin die Gesamtdebatte in den Blick, was immer wieder als Desiderat der Forschung angemahnt wurde. Einen solchen Großen Wurf leistet sie in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht und will sie auch nicht leisten; dazu hätte neben Ostmitteleuropa vor allem auch die Kurienpolitik und der italienische Kontext breiter und differenzierter erörtert werden müssen. Methodisch fällt weiterhin auf, dass die Autorin zwar die wichtige Druckgraphik aufgreift, den kunsthistorisch-ikonographischen Ansatz aber weiter hätte ausbauen sollen. Bildmaterial wird nur dann herangezogen, wenn es auf publizistische Texte bezogen ist. Eine weitere materielle Lücke entsteht durch die Auswahl der Dokumente: Neben dem meist zahlenmäßig dominanten antijesuitischen Streitschrifttum zieht die Autorin bei Zeitungen nur die Dissidentenliteratur bzw. Journale aus protestantischen Ländern und staatlich kontrollierte Blätter heran. Die andere Seite kommt inhaltlich zu kurz. Methodischer Schwerpunkt bleibt demnach das Herausarbeiten der Funktionsweisen öffentlicher Kommunikation, das ihr beim systematischen Zugang zu inhaltlichen Ebenen der Publizistik hilft. Auf diese Weise kann die mediale Vernetzung Europas der Jahre 1758 bis 1773 anhand der Jesuitendebatte mit ihrer politischen, sozialen und theologischen Ideenwelt konkretisiert werden.