„Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ – Es waren Napoleon und die von ihm ausgehende Neuordnung des politischen wie gesellschaftlichen Koordinatensystems, die beinah alle europäischen Staaten vor die Gretchenfrage stellten. Eine Neuordnung der ‚Religionssachen‘, vor allem die christlichen Hauptkonfessionen betreffend, schien längst fällig: Die meist monokonfessionell geschlossenen Systeme staatlicher oder staatsnaher Religionsverwaltung, die nicht nur das protestantische Alteuropa charakterisierten, hatten bereits die Aufklärer des 18. Jahrhunderts für überlebt gehalten. Freie Wahl des Bekenntnisses als Konkretionsfall der Gewissensfreiheit und die Trennung von Kirche und Staat im Sinne einer säkularen Begründung des politischen Gemeinwesens sollten endlich konstitutionell verbrieft werden. Im Detail hatten sich die überkommenen Religionsverfassungen durchaus unterschieden: Modelle ‚etablierter‘, das heißt staatlich privilegierter Kirchenorganisation eines Bekenntnisses – wie etwa in den Niederlanden – standen dem sogenannten landesherrlichen Kirchenregiment in den Territorien des Alten Reiches gegenüber, das wiederum abhängig vom Grad herrscherlicher Toleranz und von der jeweiligen politischen Verfassung unterschiedlich ausgestaltet werden konnte. England oder Schweden sind Beispiele für noch unmittelbarer in die staatliche Verwaltungsstruktur integrierte Kirchenwesen, und nicht nur die Territorien der römisch-katholischen geistlichen Fürsten, sondern auch etwa das presbyterianische Schottland besaßen quasi-theokratische Verfassungsstrukturen.