Die Berliner Dissertation von Rüdiger Graf widmet sich einem wichtigen Gegenstand, den Zukunftsvorstellungen der Menschen in der Weimarer Republik. Sie beschreibt Formen der Zukunftsaneignung in einer spannungsreichen Zeit und rückt ihnen analytisch mit dem Diskursverständnis des Philosophen Donald Davidson zu Leibe. Die Quellengrundlage mit mehr als tausend Artikeln und etwa 350 selbständigen Veröffentlichungen erscheint gewaltig. Doch bleibt sie, insbesondere im Bereich der Publizistik, wo acht von etwa 3.350 Zeitungen der Weimarer Republik systematisch ausgewertet wurden, durchaus überschaubar. Rein sachlich ist diese Konzentration kein Nachteil, wird doch für jedes politisch-weltanschauliche Milieu mindestens eine wichtige Zeitung untersucht, so dass vergleichende Gegenüberstellungen und inhaltliche Verknüpfungen möglich sind. Graf hegt Vorbehalte gegenüber den "so genannten großen Geister[n]", die sich nach seiner Auffassung "mit sehr speziellen Fragen in oftmals idiosynkratischer Weise beschäftigen", und hält Äußerungen auf "mittlere[m] intellektuellen Niveau" für aussagekräftiger (S. 52). Freilich spielen dann doch Denker wie Ernst Bloch, Hans Freyer, Martin Heidegger, Paul Tillich oder Hans Zehrer eine große Rolle, deren Texten nur mit interpretatorischer Subtilität beizukommen ist.