Dass das Forschungsparadigma der Erinnerung auch und gerade für die Migrationsforschung erkenntnisträchtig ist, hat zuletzt der ‚Komplex der Vertreibung‘ belegt. Neben ‚Genozid‘ und ‚Krieg‘ gehören ‚Flucht‘, ‚Aussiedlung‘, ‚ethnische Säuberung‘ und andere Formen erzwungener Migration zur obersten Kategorie an Erinnerungstopoi und lieux de mémoire – desgleichen freiwillige Migrationsbewegungen, auch wenn der Übergang zwischen beiden Prozessen fließend ist. Zugleich haben die deutsch-polnischen sowie die innerdeutschen Debatte um den Stellenwert von Flucht, Vertreibung und Integration in nationalen Erinnerungskulturen seit 2000 zum einen die weiterhin prägende Bedeutung der Dekade der Gewalt in der Mitte des 20. Jahrhunderts vor Augen geführt, zum anderen aber den Blick auf (Zwangs-)Migrationen andernorts und zu anderer Zeit geöffnet.