Dass die Bundesrepublik Deutschland eine „weithin mythenfreie Zone“ sei, erfährt man gleich auf der ersten Seite, bevor Herfried Münkler sein gewaltiges Forschungsprogramm und -panorama über deutsche Mythen überhaupt entfaltet hat. Gestützt auf umfangreiche Literatur der letzten Jahre sieht er drei Dimensionen politischer Mythen: narrative Variation, ikonische Verdichtung und rituelle Inszenierung. Wenn in politischen Mythen das Selbstbewusstsein eines politischen Verbandes ausgedrückt wird – bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die Bundesrepublik über ein solches Selbstbewusstsein nicht (mehr) verfügt? Oder ist es nicht vielmehr so, dass gerade wegen überbordender Mythen, die in die „Ideen von 1914“ mündeten, alles verspielt wurde? „Verspielte Größe“ – auf diesen Begriff hat Fritz Stern die Grundmelodie der deutschen Geschichte bis 1945 einmal gebracht. [ 1 ]