Kriegskinder haben Konjunktur. Während anglo-amerikanische Historiker und Historikerinnen wie Nicholas Stargardt und Lynn Nicholas mit wichtigen Untersuchungen zur Erfahrung von Kindern im Zweiten Weltkrieg hervorgetreten sind, hat sich die deutsche Diskussion vor allem auf die angeblichen Langzeitfolgen von erlebter und erlittener Gewalt in Krieg und Nachkriegszeit konzentriert. [ 1 ] In zahlreichen Buchveröffentlichungen und Fernsehdokumentationen rückte somit eine Generation der “Kriegskinder” in den Blick der Öffentlichkeit, die – so die These – ihr Leiden am und im Krieg erst in den letzten Jahren artikulieren konnte. Ein wichtiges Ereignis war dabei der von über 600 Menschen besuchte Frankfurter Kongress „Die Generation der Kriegskinder und ihre Botschaft für Europa 60 Jahre nach dem Kriegsende” im Jahr 2005. [ 2 ] Weitere Veröffentlichungen leiteten aus der vermeintlichen generationellen Erfahrung der Kriegskindheit gar Diagnosen über die mentale und emotionale Verfassung der Gegenwartsgesellschaft ab. So leide die Generation der Kriegskinder unter verstärkten Angstzuständen, ihre Befindlichkeit sei eine wesentlich Ursache für den Reformstau in der bundesrepublikanischen Politik. [ 3 ] Auch hat der Kriegskinder-Diskurs mittlerweile die Enkel erreicht. Im Zuge einer intergenerationellen Transmission von Trauma seien die psychischen Belastungen demnach auch an die Folgegeneration der „Kinder der Kriegskinder” weitergegeben worden. [ 4 ] Wie die Mitherausgeberin Lu Seegers in der Einleitung deutlich macht, ließ die Kritik an dieser Sichtweise freilich nicht lange auf sich warten. So sieht der Sozialpsychologe Harald Welzer im Konstrukt der „Kriegskinder” nur die neueste Variante eines deutschen Opferdiskurses, mit dem sich die ehemaligen 68er erneut ins Rampenlicht der Öffentlichkeit schieben wollten – dieses Mal allerdings nicht als Ankläger der Väter sondern als Leidtragende ihrer Abwesenheit wie auch der Kriegsfolgen insgesamt.