In ihrem Essay „Critically Queer“, das 1993 in der Zeitschrift „GLQ: A Journal of Lesbian and Gay Studies“ erschien, bezeichnete Judith Butler Gender und Sexualität als Produkte performativer Sprechakte. [ 1 ] Nicht nur im Titel von „Criminally Queer. Homosexuality and Criminal Law in Scandinavia 1842-1999“ nehmen Jens Rydstöm, Kati Mustola, Wilhelm von Rosen, Martin Skaug Halsos und Thorgerdur Thorvaldsdóttir, die fünf AutorInnen der Aufsatzsammlung, bewusst Bezug auf diesen Text. Auch die zentrale These ihrer spannenden Veröffentlichung stützt sich auf Butlers theoretisches Gerüst: Die Figur des modernen Homosexuellen, so formuliert es Jens Rydström in seiner Einleitung, sei nicht in einer ontologisch unveränderlichen sexuellen Orientierung begründet, sondern durch die Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Beziehungen erst geschaffen worden. Performative Handlungen, die im Laufe der vergangenen anderthalb Jahrhunderte in Skandinavien gleichgeschlechtliche Beziehungen als kriminell, pathologisch oder unmoralisch auswiesen, konnten nur im Rahmen eines Diskurses stattfinden, der die Benennung, Diskriminierung und Kriminalisierung eines „Anderen“ erlaubte und für normal befand. In einem dialektischen Verhältnis trugen so, nach Einschätzung der Autoren, performative Sprechakte, welche „den Homosexuellen“ krimineller Taten bezichtigten, zur Stabilisierung dieses „Differenzdiskurses“ (Ruth Wodak) bei. „Criminally Queer“ kann daher nicht nur als ein Ergebnis der skandinavischen Genderforschung gesehen werden, sondern auch als ein Beitrag zum derzeit vor allem im skandinavischen und angelsächsischen Raum beliebten Forschungsfeld des „Othering“.