In der Schlussdiskussion zu der Tagung, von der die vorliegende Aufsatzsammlung stammt, plädierte Jürgen Kocka für eine Verjährungsfrist bei Restitutionsfragen. Er warnte vor der Gefahr, dass im Namen der Gerechtigkeit neue Ungerechtigkeiten geschaffen würden (zitiert S. 225). Mit seinem Plädoyer für den Rechtsfrieden sprach Kocka in der Tat ein Dilemma der aktuellen Restitutionskonjunktur an. Je weiter das eingeklagte Unrecht zurückliegt, umso schwieriger ist die Frage nach Adressaten und Anspruchsberechtigten zu beantworten. Überdies hierarchisiert die Identifikation von rückerstattungspflichtigen Enteignungen historisches Unrecht, wie es die Reprivatisierungen in Osteuropa gezeigt haben: Der Entscheid, Restitution auf die kommunistischen Verstaatlichungen zu beschränken, verstellte die Aufarbeitung der Judenverfolgung ebenso wie der Vertreibung von Minderheiten nach dem Krieg. Vom Rechtsstandpunkt betrachtet ist dies umso stoßender, als solchen Entscheiden oft die Intention zugrunde lag, politische Loyalitäten und nationale Identitäten zu festigen, mit andern Worten: Reprivatisierungen waren von ähnlich gelagerten Motiven geleitet wie einige der Verfolgungsmaßnahmen, welche von der „Wiedergutmachung“ ausgeschlossen blieben. [ 1 ]