In den letzten Jahren hat sich bei weiten Teilen der deutschen Bevölkerung die Überzeugung durchgesetzt, dass wir de facto in einer Einwanderungsgesellschaft leben. Nicht alle bewerten diesen Zustand als positiv, und hinsichtlich der Fragen, welches die formalen Bedingungen zum Erlangen der Staatsbürgerschaft sind, wie Zu- oder Einwanderung juristisch geregelt wird und wie das „Zusammen“-Leben in einer multikulturellen Gesellschaft gestaltet werden kann und soll, gibt es schon gar keine einheitlichen Positionen. Mit dem von Jan Motte und Rainer Ohliger vorgelegten Sammelband „Geschichte und Gedächtnis in der Einwanderungsgesellschaft“ wird nun ein bemerkenswerter Beitrag zu einer vielfach von Defiziten und diffusen Vorstellungen gekennzeichneten Diskussion um Erinnerung, Geschichte und Gedächtnis in der (deutschen) Einwanderungsgesellschaft geleistet. Ausgehend von der Überlegung, dass die Geschichtsschreibung auf veränderte Gegenwartslagen reagieren und diese erklären müsse, geht es in dem in sechs Kapitel unterteilten Band sowohl um die sozialgeschichtliche Rekonstruktion der Migrationsgeschichte als auch um den politisch-gesellschaftlichen Umgang mit Geschichte in der Einwanderungsgesellschaft. Motte und Ohliger gelingt es mit den Beiträgen von 17 AutorInnen, zwei bislang mehr oder minder voneinander losgelöste Bereiche zu verknüpfen: die Migrationsforschung einerseits und den Erinnerungsdiskurs andererseits.