"10. Januar 1610: Vermittels des Fernrohrs entdeckt Galilei am Himmel Erscheinungen, welche das kopernikanische System beweisen. Von seinem Freund vor den möglichen Folgen seiner Forschungen gewarnt, bezeugt Galilei seinen Glauben an die menschliche Vernunft." [ 1 ] So beginnt der dritte Aufzug von Bertolt Brechts 'Leben des Galilei' (1938/39): Galileo Galilei und sein Freund Sagredo betrachten durch ein Fernrohr den Himmel. Galilei kommentiert die Szene und nennt dabei noch einmal jenes Datum, das in der Geschichte der neuzeitlichen Wissenschaften eine Epochen-Zäsur darstellt: "Heute ist der 10. Januar 1610. Die Menschheit trägt in ihr Journal ein: Himmel abgeschafft." [ 2 ] Im Glauben an die Kraft rationaler Argumente sieht Galilei die Folgen seiner Entdeckung nicht – weder für sich noch die Christenheit. Von Sagredo darauf angesprochen - "Und wo ist dann Gott? [...] Gott! Wo ist Gott?" [ 3 ] - antwortet Galilei zornig: "Bin ich Theologe? Ich bin Mathematiker." [ 4 ] Der Ausgang ist, nicht zuletzt durch Brechts Drama, allgemein bekannt: 1633 muss Galilei seiner Theorie abschwören und wird der Beaufsichtigung durch die Inquisition unterstellt.