Wie kann sich die Soziologie erkenntnistheoretisch als Wissenschaft legitimieren? In der Phase der beginnenden akademischen Institutionalisierung des Fachs Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts ist diese Frage eingehend gestellt und diskutiert worden. Zwei Hauptprotagonisten dieser Diskussion waren Emile Durkheim und Georg Simmel. Durkheim setzte freilich in seinen erkenntnistheoretischen Überlegungen das zu bestimmende Soziale, die Gesellschaft, als Realität sui generis bereits voraus, in binärer Gegenüberstellung zum Individuellen. Simmel hingegen hatte seine Erkenntnistheorie der Soziologie vorgelagert. Er verabschiedete sich vom Begriff „Gesellschaft“ und sprach statt dessen von „Vergesellschaftung“ als Summe der „Wechselwirkungen“ zwischen Individuen und Gruppen.