Die Historisierung der Gefühle ist – obwohl die Ausrufung des entsprechenden wissenschaftlichen „Turns“ mittlerweile erfolgte [1] – nach wie vor ein Desiderat. Zum einen kann so den Verengungen psychologischer oder biologischer Sichtweisen der Einblick in die historische Variabilität und soziokulturelle Bedingtheit von Emotionalität entgegengesetzt werden. Zum anderen kann auch die Geschichtswissenschaft selbst zu einer Neujustierung ihrer kausalen Erklärungen gelangen, wenn sie Gefühle als eine Basiskomponente der Kognition, des Handelns und der sozialen Interaktion berücksichtigt. Nicht zuletzt legt es die Emotionsforschung nahe, die Vorannahme zu überdenken, dass Menschen primär rational bzw. interessengeleitet handeln. Damit stehen zugleich die „grand narratives“ der westlichen Moderne zur Debatte – sei es Norbert Elias’ These einer zunehmenden intrinsischen Affektkontrolle, sei es die Annahme Max Webers, mit der Modernisierung würden Rationalisierungsprozesse einhergehen.