Der Kulturkampf ist von der deutschen Historiographie überwiegend als ein spezifisch deutsches Phänomen behandelt worden. Die Politikgeschichte der Gründungsphase des Deutschen Reichs hat sich in erster Linie mit den preußischen Kulturkampfgesetzen der ersten Hälfte der 1870er-Jahre, beginnend mit dem Kanzelparagraphen von 1871 und dem Jesuitengesetz 1872, beschäftigt. Danach strebte die Kooperation der Liberalen mit Reichskanzler Bismarck eine moderate Säkularisierung an und war in erster Linie darauf ausgerichtet, den gesellschaftlichen Einfluss der katholischen Kirche zurückzudrängen. In ihrem Sonderwegsnarrativ hat die Gesellschaftsgeschichte dem deutschen Katholizismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lange Zeit einen Modernisierungsrückstand bescheinigt. Die Kulturkampfmaßnahmen erschienen in ihrer autoritär-polizeilichen Durchsetzung vielfach als illiberale Verirrung der Liberalen und die Kooperation mit Bismarck als Pakt mit dem Teufel auf dessen Sonderweg, grundsätzlich aber als normativ gerechtfertigt. Schließlich hat sich die katholische Bismarck-kritische Historiographie mehr mit dem – sehr effektiven – katholischen Widerstand beschäftigt als mit den Vorstellungswelten und Motiven der antikatholischen Kulturkämpfer.