Den Nationalsozialismus als charismatische Herrschaft zu interpretieren, ist kein Konzept mehr, das man unter Innovationsverdacht stellen müsste. Vielmehr reichen solche Versuche bis in die 1940er-Jahre zurück. Heute wird man in etlichen Einführungen zum Nationalsozialismus unter dem Stichwort „Charismatische Herrschaft“ fündig. Eine Erfolgsgeschichte also? Mitnichten, folgt man Ludolf Herbst. Er schrieb bereits vor einigen Jahren, dass „die Anwendung von Webers Idealtyp charismatischer Herrschaft auf den Nationalsozialismus eine lange, wenig erfolgreiche Tradition bei Historikern“ habe. [1] Mit einer solchen Kritik steht Herbst nicht allein: Der Historiker drehe die „weberianische Gebetsmühle“ und entdecke eine „neue paradigmatische Superwaffe: Charisma“, so ironisch hat das etwa Richard Evans formuliert. [2] Für Armin Nolzen gilt, dass sowohl Webers Konzept der bürokratisch-legalen als auch dasjenige der charismatischen Herrschaft „poorly fitted to apply to the Third Reich“ seien. [3] So weit geht Herbst aber nicht. Für ihn liegt das Problem vor allem in der Rezeption der Weberschen Typologie, weniger in der Herrschaftssoziologie selber.