Die in einer schwer entzifferbaren Stenographie überlieferten Tagebücher Carl Schmitts galten lange Zeit als eine Geheimquelle für Biographie und historische Rolle dieses umstrittenen Staatsrechtslehrers. Nach Teilpublikationen für die Jahre 1912 bis 1915 und 1915 bis 1919 macht der von Wolfgang Schuller mit großer editorischer Sorgfalt herausgegebene Tagebuchband erstmals die gesamten schriftlichen Aufzeichnungen Schmitts für die Jahre 1930-1934 als eine „Leseausgabe“ zugänglich. [1] Der Wert der Edition liegt in ihrer Vollständigkeit. Zwar haben ältere und neuere Darstellungen bei der Beschreibung von Schmitts Aktionsradius in den entscheidenden Weimarer Jahren auf diese Quellengattung zurückgreifen können, doch ein klares Urteil über sein persönlich-politisches Verhalten ließ der eingegrenzte Blick auf Schlüsselstellen des historischen Prozesses, den „Preußenschlag“ vom 20. Juli 1932 oder die Machteinsetzung Hitlers am 30. Januar 1933, nicht zu. Die ein halbes Jahrzehnt umfassenden Tagebücher sind Dokumente einer Persönlichkeitsentwicklung, die vom Geschichtsverlauf ebenso geformt wurde, wie sie in diesen formend eingriff.