Als vor 15 Jahren die Grundthesen einer postmodernen historischen Transferforschung formuliert wurden, war die Messlatte für das künftige Fach recht hochgelegt. Die eigentlichen „Spiralbewegungen“ hinter der jeweils „national uminterpretierten Kulturrezeption“ sollten aufgedeckt und damit eine scheinbare kulturelle Differenzierung der europäischen Völker widerlegt werden. [1] Und welche beiden Länder hätten sich hierfür besser geeignet als Deutschland und Frankreich, deren gegenseitige Beziehung so komplex ist. Inzwischen tritt eine gewisse Ernüchterung ein. Oft genug hat sich die kulturhistorische Transferforschung damit begnügt, die Aufnahme der miteinander konkurrierenden europäischen Deutungsmuster im jeweils anderen Land zu beschreiben. Ihr eigentlich transnationaler Anspruch hatte darunter zu leiden, dass es oft nur die jeweiligen nationalen Geistesgrößen waren, die sie in den Blick genommen hat.