Im Jahr 44 v.Chr. beschwört Cicero nach dem Mord an Cäsar die römischen Senatoren, „alle Erinnerungen an die Zwieträchtigkeiten ... durch ewiges Vergessen zu tilgen“ (S. 10). Knapp zwei Jahrtausende später, 1814, stellt nach seiner Rückkehr aus dem Exil Ludwig XVIII. fest, er habe die Erinnerung an „sämtliche Übel, welche während Unserer Abwesenheit die Heimat bedrückten“ getilgt. Hier haben wir es, so versichert uns Christian Meier, mit dem historischen Normalfall zu tun. Trotzdem beginnt er sein neues Buch mit zwei Zitaten, die das Gegenteil postulieren, und nicht zufällig entstammen beide dem deutschen Erinnerungsdiskurs: „Die Erinnerung darf nicht enden“, so mahnte Roman Herzog zum 27. Januar 1996, dem „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“, und Richard von Weizsäcker erklärte in seiner bekannten Rede vom 8. Mai 1985: „Wer sich der Unmenschlichkeiten nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren.“