Mit dem 20. Jahrhundert hat sich die neuere Bürgertumsforschung immer etwas schwer getan. Zu unklar erschien ihr, ob der Gegenstand überhaupt noch existiere. Hatte sich das Bürgertum durch die Preisgabe des Fundamentalprinzips der („bürgerlichen“) Öffentlichkeit nicht schon im späten Kaiserreich und der Weimarer Republik selbst aufgelöst? [1] Waren die einstmals distinktiven bürgerlichen Werte im 20. Jahrhundert nicht zusehends ausgebreitet worden und in andere Sozialgruppen diffundiert? [2] Hatten die egalisierenden ebenso wie die mörderischen Auswirkungen der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ [3] , die Zerstörungen und Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit, dann aber auch die rapide Wohlstandsentwicklung und die Bildungsexpansion das als Stand, Klasse oder Kultur privilegierte und sozial exklusive Bürgertum nicht zum Verschwinden gebracht? Und machte nicht die parallel dazu fortschreitende funktionale Differenzierung der Gesellschaft jeder festgefügten Sozialgruppe, einerlei ob Arbeiterklasse oder Bürgertum, den Garaus? [4]