摘要:Conrad Laibs große Kreuzigungstafel im Wiener Belvedere (Abb. 1) zählt ohne Zweifel zu den beeindruckendsten Kalvarienbergdarstellungen des Spätmittelalters.1 Tatsächlich erfuhr sie offenbar bereits zu ihrer Entstehungszeit große Wertschätzung: 1449 für eine Salzburger Kirche geschaffen, wurde sie in den darauffolgenden Jahren zum Vorbild einer ganzen Reihe themengleicher Bilder,2 und auch Laib selbst wiederholte die Komposition – mit gewissen Variationen – acht Jahre später im sogenannten Grazer Dombild.3 Seine große Wirkung entfaltet das Werk nicht nur aufgrund der brillanten Malweise und der hohen Kunstfertigkeit in den Details, sondern vor allem auch durch den eindringlichen Bildaufbau: Die Figuren Christi und der Schächer erheben sich über einer bedrohlich eng zusammengerückten Menschenmenge, welche dicht gedrängt die Kreuzesstämme in der unteren Bildhälfte umsteht. Es nimmt daher nicht wunder, dass in der Forschungsliteratur immer wieder betont wurde, die Komposition stehe „in der Tradition des Typus der ‚Kreuzigung im Gedräng’.“4 Curt Glaser sprach schon 1924 gar von einer „Kreuzigung ‚mit Gedräng’ im wörtlichsten Sinne.“5 Was damit gemeint ist, führte Ludwig Baldass in seiner 1946 erschienenen Monographiezu Conrad Laib aus: „Es ist eine sogenannte Kreuzigung ‚mit Gedräng’, d.h. mit einer vielköpfigen, dichtgedrängten Masse von Söldnern und Pharisäern, wie sie erst in Italien und dann auch in Deutschland seit der Mitte des 14. Jahrhunderts häufig gemalt worden ist.“6